08.07.2022
Thermoformen ist ein weit verbreitetes Verfahren zur Herstellung von Kunststoffbauteilen, wenngleich die Anzahl der Thermoformer nur einen kleinen Anteil der Kunststoffverarbeiter ausmacht. Ein motiviertes Team des Fachbereichs Werkstofftechnik an der FH OÖ Campus Wels beschäftigt sich unter anderem mit dieser innovativen Verfahrenstechnologie. Wir haben mit seinem Leiter, Gernot Zitzenbacher, über die wichtigsten Forschungsgebiete und aktuelle Entwicklungstrends gesprochen.
Das Thermoformen bietet eine große Breite an Möglichkeiten und technologischen Vorteilen. So können Teile in hohen Stückzahlen automatisiert gefertigt werden. Gleichzeitig sind aber auch kleine Stückzahlen bis zu Prototypen mit vergleichsweise kostengünstigen Thermoformwerkzeugen herstellbar. Aufgrund geringer Umformdrücke ist die Formung von großflächigen Teilen aus unverstärkten Kunststoffen mit relativ geringem maschinentechnischen Aufwand möglich. Insbesondere dünnwandige Formteile können mittels Thermoformen sehr gut realisiert werden. Eine Kombination verschiedener Kunststoffe ist durch eine gezielte Einstellung der Halbzeugeigenschaften möglich. Die Oberfläche der Teile kann bestimmt werden, indem Narbungen, Schriftzüge, Bedruckungen sowie Dekorationen integriert werden.
Aktuelle Forschungsfragen betreffen das Thermoformen von Bauteilen aus faserverstärkten Halbzeugen für Leichtbauanwendungen. Auf Infrarotstrahlungserwärmung basierende Aufheizverfahren haben eine vergleichsweise geringe Energieeffizienz. Hier wird an alternativen Methoden zum Aufheizen wie z. B. der Direktbestromung von mit Carbonfasern verstärkten Halbzeugen geforscht. Auch die Kreislaufwirtschaft ist von großer Bedeutung. So kann beispielsweise durch die Verwendung von Single Polymer Composites (SPC) die Recyclingfähigkeit von verstärkten Thermoformbauteilen erheblich verbessert werden. SPC sind verstärkte Halbzeuge, bei denen Faser und Matrix aus demselben Polymer bestehen. Die Simulation des Thermoformens verstärkter Halbzeuge ist aufgrund spezifischer Materialeigenschaften mit Standardverfahren nur eingeschränkt möglich. Spezielle Materialmodelle, die Effekte wie die anisotrope Wärmeausbreitung in faserverstärkten Halbzeugen sowie die Dekonsolidierung bei der Aufheizung berücksichtigen, ermöglichen eine präzisere Aufheizsimulation als Ausgangspunkt für den nachfolgenden Formungsschritt.
Ansätze für die Digitale Transformation sind in der Entwicklung eines Digitalen Zwillings des Thermoformprozesses zu sehen. Eine Simulation der einzelnen Prozessschritte gekoppelt mit einer Inline-Vermessung von Bauteileigenschaften wie z. B. der Wanddickenverteilung kann Vorteile bei Prozess- oder Materialschwankungen mit sich bringen und Ausschuss reduzieren. Thermoformwerkzeuge aus dem 3D-Drucker, die beispielsweise mittels selektivem Laserschmelzen gefertigt werden, sind ein Ansatz für spezifische Anwendungen mit komplexen Teilgeometrien. Eine verbesserte Wärmeabfuhr an Hotspots kann durch eine konturfolgende Temperierung bewirkt werden. Kühl- und Vakuumkanäle sind bei komplexen Werkzeuggeometrien leichter zu fertigen. Der Ausgangszustand des Halbzeugs beeinflusst die Eigenschaften des thermogeformten Teils maßgeblich mit. Daher ist bei einer Simulation der gesamte Thermoformprozess einschließlich vorgelagerter Prozessschritte relevant. Hierbei sollen alle Schritte des Thermoformprozesses berücksichtigt werden und mit dem Prozess der Halbzeugherstellung verknüpft werden. So kann man zu einer größeren Genauigkeit und Sicherheit der Thermoformsimulation gelangen.
Für das Thermoformen stehen uns Versuchsanlagen zur Formung von unverstärkten Halbzeugen mit Vakuum oder Druckluft sowie von verstärkten Halbzeugen mit einer Thermoformpresse zur Verfügung. Mithilfe einer Laborextrusionsanlage können Halbzeuge aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt und im Hinblick auf die Thermoformeigenschaften untersucht werden. Verschiedene Charakterisierungsmethoden ermöglichen die Bestimmung von rheologischen, thermischen und Oberflächeneigenschaften von Rohstoffen, Halbzeugen und Teilen.