07.10.2021
Kunststoff und Vorurteile – lange Zeit schienen diese Begriffe untrennbar miteinander verbunden zu sein. Doch hartnäckige Überzeugungsarbeit und innovative Produktlinien haben dazu beigetragen, dass wieder mehr über Kunststoff als Wertstoff geredet wird. Vier Unternehmer geben Einblick in ihre Tätigkeit und sprechen über Chancen, Probleme und Zukunftsaussichten.
Die Coronakrise hat den Kunststoffverarbeitern vergleichsweise moderat zugesetzt. Einzelnen Sparten wie etwa der Automobilindustrie zwar stärker als anderen, die daraus resultierenden Probleme sind aus Sicht der meisten heimischen Branchenvertreter jedoch großteils überwunden. Dafür bereiten aktuell die Rohstoffpreise und die Verfügbarkeit einiger Vorprodukte zunehmendes Kopfzerbrechen. Weitere Dauerthemen sind der Fachkräftemangel und das schlechte Image von Kunststoff.
Eine zeitgemäße Produktion muss auf jeden Fall den Ressourcenverbrauch bei hoher Funktionalität senken, um rentabel und gleichzeitig umweltfreundlich zu sein. Laut aktueller Statistik des Fachverbandes der chemischen Industrie gibt es in Österreich 559 Betriebe, die in der Kunststoffverarbeitung tätig sind. Die Branche ist klein- und mittelbetrieblich strukturiert. Rund 62 % der Unternehmen beschäftigen weniger als 20 Mitarbeiter, 33 % zwischen 20 und 249 Mitarbeiter und fünf Prozent mehr als 250 Mitarbeiter.
Die Zentren der Produktion liegen in Ober- und Niederösterreich. In diesen beiden Bundesländern finden sich mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze bei Kunststoffverarbeitern und wird der größte Teil des Produktionswertes erwirtschaftet. Im Bereich der Kunststoffverarbeitung gibt es die Lehrberufe Kunststofftechnik und Kunststoffverarbeitung mit vier bzw. drei Jahren Dauer. Rund 45 % aller Lehrlinge kommen aus Ober- und Niederösterreich, wobei auch immer mehr Mädchen diese Lehrberufe ergreifen. Seit 2005 hat sich die Zahl der weiblichen Lehrlinge verdoppelt.
Erika Lottmann, Geschäftsführerin der Lottmann Fensterbänke GmbH, engagiert sich als WKO-Funktionärin sehr für den Nachwuchs: „Als Fachvertreterin des kunststoffverarbeitenden Gewerbes habe ich, so wie als Unternehmerin in der Region, die Möglichkeit, in direktem Austausch mit den Schülern, Eltern und Lehrern auf die Wichtigkeit von gut ausgebildeten Fachkräften hinzuweisen.“ Überregional ziehen die Unternehmer mit dem Kunststoff-Cluster an einem Strang. Dabei geht es nicht nur am Tag „Schule und Wirtschaft“ um Imagewerbung und Veranstaltungen. Wo es geht, wird Pädagogen und Schülern das Thema Kunststoff als wichtiger Werkstoff und nicht nur als Verpackungsabfall nähergebracht. Paradebeispiel ist der Stand bei der Messe „Jugend und Beruf“ in Wels, wo die Möglichkeiten der Kunststofflehre aufgezeigt werden. „Österreichweit sind wir gerade dabei, uns mit der Industrie und den großen Playern zu vernetzen, um große, einheitliche, positive Aussagen zum Kunststoff und seinem Kreislauf zu machen. Das funktioniert natürlich nur, wenn wir auch positive, ehrliche Beispiele zeigen können“, betont Lottmann.
In der Debatte um erfolgreichen Wettbewerb ist Digitalisierung ein vielstrapaziertes Schlagwort. „Digitalisierung ist ein sehr geflügeltes Wort in diesen Tagen. Ich denke am Ende geht es um Datenerhebung mit Sensorik, Vernetzung von verschiedenen Geräten und Maschinen sowie die Auswertung und Bewertung dieser Daten. Mit einigen Projekten in diesem Bereich haben wir positive Erfahrungen gemacht. Sehr häufig ist ein belegbarer wirtschaftlicher Vorteil, der sich in angemessener Zeit erwirtschaften lässt, nur schwer fest zu machen“, betont Markus Brunnthaler, Eigentümer der Firma Miraplast und stellvertretender Bundesinnungsmeister der Kunststoffverarbeiter in der Wirtschaftskammer. Frank Böhler, Bundesspartenobmann in der WKO, sieht die Branche auf einem guten Weg. Technisch sei für die Industrie 4.0 alles top, einzig die Weiterbildung der Fachkräfte hinke dem positiven Trend ein wenig nach.
Was ist das Geheimnis Ihres Geschäftserfolgs?
Wir versuchen, immer im Sinne der Kunden zu denken und Lösungen zu finden, wenn das Problem noch gar nicht so offensichtlich ist. Es geht darum, möglichst einfache Systeme im Sinne des Verarbeiters zu entwickeln.
Was bewegt die kleinen und mittleren Unternehmen aus der Kunststoffbranche aktuell?
Wenn irgendwann der Bogen durch die Preisentwicklung überspannt wird, befürchten wir schon einen Einbruch in der Bautätigkeit.
Thema Nachhaltigkeit – wie sieht es in Ihrem Unternehmen damit aus?
Unsere Produkte können 25 Jahre und länger in einem Gebäude verbaut sein. Wir beschäftigen uns auch mit sofortigem Recycling im Produktionsprozess, mit dem richtigen Maß an Transportverpackung oder der Installation einer Photovoltaikanlage, um den größten Teil unseres benötigten Stroms selbst zu erzeugen. Wir versuchen, so viele Produkte wie möglich regional zu kaufen, trennen im ganzen Haus Reststoffe penibel zur Wiederverwertung und haben den Nachhaltigkeitsgedanken in unserem Leitbild formuliert.
Was ist das Geheimnis Ihres Geschäftserfolgs?
Wir pflegen langjährige Kundenpartnerschaften und bieten intelligente Produktlösungen.
Welche positiven Erfahrungen haben Sie mit Digitalisierungsmaßnahmen gemacht?
Unsere Branche ist seit „Industrie 4.0“ auf einem gutem Weg: Schnittstellen von Spritzgießmaschinen zu Peripherie und Geräten, MDE, Prozessdatendokumentation, Sensorik für vorbeugende Instandhaltung. Prinzipiell haben wir gute Erfahrungen gemacht. Oft hinkt die Weiterbildung unserer Fachkräfte hinterher, um all die Möglichkeiten, die maschinenseitig angeboten werden, auch wirklich betriebswirtschaftlich zu nutzen.
Welches Kunststoffprodukt aus Ihrer Fertigung ist besonders nachhaltig?
Dosierkugeln für Reinigungsmittelkonzentrate (genaue Dosierung in der Anwendung) oder Distanzringe für Terrassenplatten aus zu 100 Prozent recyceltem Polypropylen.
Was ist das Geheimnis Ihres Geschäftserfolgs?
Da gibt es kein wirkliches Geheimnis.
Welches Kunststoffprodukt aus Ihrer Fertigung ist besonders nachhaltig?
Wir fertigen nur Mehrwegprodukte und versuchen mit internem Recycling alles Recycelbare zu erfassen, Dazu haben wir eigene Produkte aus 100-Prozent-Recyclingkunststoff. Eine andere Produktlinie ist aus greenPE gefertigt.
Wo gilt es, beim Image neue Wege zu gehen? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir eine sachliche Diskussion und dass die Kunststoffverarbeiter als Teil der Lösung des Müllproblems und der Klimakrise verstanden werden. Dann haben wir auch kein schlechtes Image und werden mehr Fachkräfte finden. Mit dem ÖCC2 haben wir eine neue Plattform, die Organisationen und Betriebe entlang der Wertschöpfungskette verbindet und wichtige Imagearbeit leisten wird.
Was ist das Geheimnis Ihres Geschäftserfolgs?
Immer etwas Neues ausprobieren und offen sein für neue Techniken.
Was bewegt die kleinen und mittleren Unternehmen aus der Kunststoffbranche aktuell?
Die schlechte Versorgung mit Rohstoffen und die starken Preisschwankungen.
Fehlende Fachkräfte und schlechtes Image sind zwei Faktoren, mit denen die Kunststoffbranche immer wieder zu kämpfen hat. Wie stehen Sie dazu?
Ein vorrangiges Ziel ist, das Image nachhaltig und dauerhaft zu verbessern. Wir sollen den Schülern zeigen, wie interessant es ist, in einem Kunststoffbetrieb zu arbeiten. Mit immer neuen Herausforderungen und Chancen lassen sich Lösungen gemeinsam erarbeiten.