15.07.2020
Seit über 15 Jahren ist der Kunststoff-Cluster Innovationstreiber beim Thema Biokunststoff. In dieser Zeit hat sich diesem Segment enorm viel getan – heute sind Biokunststoffe längst im Alltag angekommen. Viele heimische Unternehmen sind in diesem sich sehr schnell entwickelnden Markt höchst erfolgreich unterwegs.
Die Biopolymer Days zählen als Branchentreff, Wissensforum und Vernetzungsplattform zwischen Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und der Öffentlichkeit zu den Fixpunkten der Branche. Heuer wurde die Veranstaltung erstmals in virtueller Form abgehalten.
Anhand von fünf Schwerpunktthemen präsentierten nationalen und internationale Experten/-innen einerseits den aktuellen Stand der Technik und zeigten gleichzeitig in welche Richtung die zukünftige Entwicklung gehen wird.
Die erste Session „Bioraffinerie und Bioökonomie“ brachte in zwei wissenschaftlichen Vorträgen von Prof. Georg M. Gübitz und Dr. Ren Wei einen guten Überblick über das Leistungspotenzial der Biotechnologie, speziell wenn es darum geht, den Kreislauf zu schließen. Die beiden Unternehmen Lenzing und Agrana haben in ihren erfolgreichen Geschäftsmodellen unter anderem gezeigt, dass es für die Wissenschaft noch ausreichend Betätigungsfelder gibt. Umso erfreulicher sind Erfolge, wie die von Agrana Stärke, die erst vor kurzem mit AGENACOMP® ein eigenes Produkt/Compound auf dem Rohstoffmarkt für Biokunststoffe gebracht haben.
Die Session „Produktion biobasierter Polymere“ brachte dann einen erheblichen Schuss Realismus in die Debatte. Ja, es gibt viele Technologien für eine biobasierte, nachhaltige Produktion und vor allem: PHA ist sehr vielversprechend; aber seit 40 Jahren in Diskussion beziehungsweise steht das Material seit vielen Jahren vor dem vermeintlichen Durchbruch. Generell muss bei biobasierter Herstellung angemerkt werden, dass die Teilnehmer sehr stark eine biobasierte Produktion aus sekundären Rohstoffen begrüßen, hier die Marktreife aber noch einmal viele Jahre in der Zukunft liegt. Daher ist und bleibt der Preis das Maß für die Wettbewerbsfähigkeit und dieser liegt bei vielen Rohstoffen aktuell noch deutlich zu hoch. Das sei zwar nicht erfreulich, da man ja speziell in Europa der Nachhaltigkeit mehr und mehr Gewicht gibt, muss aber aktuell als Tatsache akzeptiert werden.
Spannende Innovationen und jede Menge Faktenwissen brachte die letzte Session des ersten Tages „Biologisches und wertstoffliches Recycling“. Prof. Hans-Josef Endres räumte – wieder einmal – mit dem Mythos, dass PLA das PET-Recycling stört, auf. Die Fa. Next Generation Recyclingmaschinen (NGR) lieferte dann auch einen Überblick der entsprechenden Technologien zur Untermauerung der Aussage. Sehr informativ war auch der Vortrag von Sandra Uschnig vom Kompost und Biogasverband über die Arbeit der vergangenen Jahre und den beiden Vorreiterbezirken (Melk & Scheibbs), die komplett (also auch im Einzelhandel!) auf das Kreislaufsackerl (vollständig biologisch abbaubar) für Obst, Gemüse, Backwaren, etc…. umgestellt haben. Das Schlusswort kam von Prof. Ines Fritz vom IFA Tulln, die allen Teilnehmern noch einmal nahelegte, dass Biokunststoff kein Freibrief für Littering ist und zudem eine biobasierte Produktion kein Freibrief, den Status Quo unverändert zu belassen.
Der zweite Tag begann mit der Session „Material und Compounds“ mit einer biobasierten „High-Tech“-Lösung für vollständig biobasierte Faserverbundwerkstoffe - Es müssen eben nicht immer nur die allseits bekannten Blumentöpfe aus Biokunststoff sein. Die restliche Session, war dem Thema Textil und biobasierte Fasern gewidmet. Einem sehr wichtigen Anwendungsfeld von Biokunststoffen - über Mulchfolien und anderen Anwendungen für den Kompost hinaus. Auch hier präsentierte Prof. Gunnar Seide aus Maastricht spannende Innovationen, zum Beispiel wie PLA sich selbst verstärken kann und man mit „nur einem“ Ausgangs-Material viel erreichen kann.
Weitere konkrete Produktanwendungen brachte die Session „Produktlösungen und Produkte aus Biokunststoff“. Mit IM Polymer und NaKu präsentierten zwei Unternehmen, welche spezifischen Kompetenzen und langjährige Expertise diese bei der Entwicklung von Produkten aus Biokunststoff erworben haben. Arctic Biomaterials zeigte seinen kompostierbaren glasfaserverstärkten Composite auf PLA-Basis, bei der auch die Glasfaser biologisch abbaut - und Fa. Senoplast präsentierte Kühlschrank-Innenverkleidungen, wo das Material PLA aufgrund seiner besseren Isoliereigenschaft gegenüber etablierten Kunststoffen dafür sorgt, Energie zu sparen – und so Kühl- und Gefriergeräte nochmals energieeffizienter zu machen, wovon in absehbarer Zeit jeder Haushalt profitieren kann. Im Anschluss gab Dr. Katharina Schlegel einen Einblick in die letzten Studien der BASF betreffend kompostierbarer Materialien und wie sie einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten können.
Den Abschluss der Biopolymer Days 2020 bildeten Gesetzgeber und Interessensvertretungen. Biokunststoffe sind ein wichtiger Bestandteil, aber auch auf EU-Ebene ist der Umgang des Konsumenten mit Kunststoff ein sehr großes Thema. So lange die Sammlung und Sortierung von post-consumer-Abfällen nicht europaweit funktioniert und der Konsument unsachgemäß mit Einwegprodukten aus Kunststoff umgeht (manchmal auch unbewusst!), implizieren biologisch abbaubare Kunststoffe, dass der Konsument sein Verhalten nicht ändern muss. Nichts desto trotz: auf nationaler, regionaler und europäischer Ebene geht der Trend und der sanfte legislative Druck in die Richtung biobasierter Produktion, De-Carbonisierung und mehr Nachhaltigkeit. Dafür ist auch Risikokapital vorhanden, wie die Teilnehmer/-innen von Michal Brandkamp vom Circular Bioeconomy Fund erfahren konnten.
Die Biopolymer Days 2020 waren die erste virtuelle Veranstaltung im Bereich Biokunststoff in Österreich und das Format wurde sowohl von der Vortragenden als auch von den Besuchern/-innen hervorragend angenommen. Insgesamt haben 130 Teilnehmer/-innen aus 6 Ländern an den Fachsessions teilgenommen.
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