24.09.2020
Kaum ein Thema wird so emotional und kontrovers diskutiert wie das Recycling von Kunststoff, wobei rationale Argumente oft auf der Strecke bleiben. Beim Treffpunkt Kunststoff-Recycling 2.0 waren dagegen Experten am Wort, die über die neuesten Entwicklungen referierten, aber auch die noch zu lösenden Probleme thematisierten. Fazit: Es ist schon viel geschehen, aber nach oben gibt es noch jede Menge Luft.
„Das Potenzial des Kunststoff-Recyclings ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft“, ist Lisa Höflechner von der TOMRA Sorting GmbH aus Köln überzeugt. „Der Fokus bei High-Quality-Kunststoffrecycling liegt auf dem Werkstoff PET, dabei verursacht PET nur rund 7 Prozent des Abfalls, und davon werden eigentlich nur die Flaschen, also insgesamt 3 %, in High-Quality recycelt“, so die Abfallexpertin. PE (Polyethylen)-Abfall macht 30 % aus, PP (Polypropylen) 19 %. Die Zahlen allein zeigen, welches Potenzial hier noch vorhanden ist. 40 % des Plastiks werden im Verpackungsbereich eingesetzt.
Deshalb ist es laut Lisa Höflechner von Tomra besonders wichtig, dass bei Kunststoff-Verpackungen noch viel stärker in Richtung „Design4Recycling“ gearbeitet wird. Viele Produkte haben ein ungünstiges Design: So sind beispielsweise Multilayer-Folien von der Sortiermaschine schwer zu detektieren und auch für den weiteren Prozess kaum trennbar. Auch mit Kleber verbundene Papier-Kunststoff-Kombinationen sind schwer zu trennen. Je nachdem wie der Teil unter dem Scanner liegt, landet der Teil in der Kunststoff- oder Papierfraktion, verunreinigt die Fraktion und geht auch für das Recycling verloren. Auch die Farbe spielt eine Rolle: Schwarzes, mit Ruß eingefärbtes, Plastik kann von der Sensor-Technologie nicht erfasst werden, weil das Material Licht absorbiert. Problematisch sind auch Label auf Flaschen: Eine PET-Flasche mit PP-Label wird vom Scanner als PP erkannt und falsch sortiert. Auch metallisiertes Material oder auch Sprühflaschen mit Metallfedern stören die Sortierung.
ZenRobotics Ltd mit Hauptsitz in Finnland ist ein weltweit führender Anbieter von intelligentem Roboterrecycling und das erste Unternehmen, das Sortierroboter in einer komplexen Müllsortierumgebung einsetzt. Die Maschinen erkennen über eine hochauflösende RGB-Kamera die auszusortierenden Teile und identifizieren diese mit KI. Sie vergleichen die Objekte mit einer vorhandenen Bibliothek und die Greifer sortieren mit Hilfe von Druckluft aus. Thomas Baldt, Inhaber eines beratenden Ingenieurbüros und Handelsagent für ZenRobotics wusste über die Herausforderungen bei Robotersortierungen zu berichten. „Die speziellen Herausforderungen in der sensorbasierten Sortierung liegen bei Verpackungen mit kritischen Inhalten. Motorölkanister oder Silikonkartuschen gehören nicht in den Verpackungsstrom“, sagt Baldt. Denn Restinhalte können den Recyclingprozess empfindlich stören. Auch andere Inhalte der Verpackungen führen zu Problemen der Reinheitsgrade, beispielsweise Stoffe aus aggressiven Reinigungsmittelverpackungen wie Abflussreiniger. Full-Sleeve-Labels, die oftmals Probleme bei der Sortierung verursachen, können aber mittlerweile mit entsprechendem Einlernaufwand erkannt werden.
Eine 100% verlässliche Unterscheidung Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel ist derzeit bei Robotersortierung noch nicht möglich. Eventuell könnte eine anderes Sammelsystem für Verpackungen, sprich eine Trennung von Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel, hier Verbesserungen liefern. Thomas Baldt ist überzeugt, dass die Werkzeuge für eine Roboter-Sortierung alle schon existieren, man denke nur an Autonomes Fahren, diese müssen aber erst Eingang in die Abfallwirtschaft finden, um die bestehenden Probleme zu lösen.
Marcel Willberg von der Lindner Washtech GmbH, einem Unternehmen der weltweit agierenden Lindner Firmengruppe aus Kärnten, berichtete über Kunststoffaufbereitung und Waschtechnik aus Sicht des Anlagenbauers. Hier liegt derzeit der klare Fokus auf der Effizienzsteigerung und auch bei der Senkung des Stromverbrauchs der Anlagen.
„Der Innovationsgrad bei der Sortierung von Kunststoffabfall ist schon sehr hoch, trotzdem benötigt es noch das ein oder andere Projekt, um die Recyclingquoten tatsächlich zu erhöhen. Zusätzlich steht die Branche noch vor der Ungewissheit, welche Technologie sich in Zukunft durchsetzen wird“ so Christian Mayr, Projektmanager im Kunststoff-Cluster.
Ashna Mudaffer, Projektmanagerin im Cleantech-Cluster: „Wir müssen an Lösungen forschen, um die Trennung aus recyceltem und nicht recyceltem Material im Gelben Sack zu ermöglichen. Die Beschaffenheiten von bereits recyceltem Kunststoffmaterial ist anders als Virgin Material, noch dazu sind die Recyclingloops limitiert. Damit stellt sich die Frage: Wie sortiere ich hier sinnvoll?“
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