20.03.2023
Einerseits gibt die EU-Kreislaufwirtschaftsstrategie vor, dass bis zum Jahr 2030 alle Kunststoffverpackungen wiederverwendbar sein müssen. Andererseits setzt die europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Grenzwerte für Substanzen, die aus rezyklierten Kunststoffverpackungen in das verpackte Gut wandern dürfen, äußerst niedrig an.
Im Projekt „PolyCycle“ entwickeln und validieren drei Forschungsinstitute gemeinsam mit mehr als 20 Unternehmen aus der Kunststoffbranche, die Materialproben und Hintergrundwissen zur Verfügung stellten, Teststrategien für krebsfördernde Substanzen (sogenannte Karzinogene) in recycelten Kunststoffen. Dabei werden ausgewählte verpackungsrelevante Recyclingmaterialien durch In-vitro-Bioassays und die chemischen Methoden Gaschromatographie (GC) und Massenspektrometrie (MS) analysiert, um ihre risikofreie Verwendung in recycelten Verpackungsmaterialien zu garantieren.
„Wir können gerade dort keine Abstriche machen, wo es um toxische oder gar krebserregende Substanzen geht“, sagt Martin Ramsl vom Kunststoff-Cluster.
Alle Substanzen, die aus rezykliertem Kunststoff migrieren und nicht identifiziert werden können, könnten im Prinzip eine mutagene Wirkung aufweisen.
„Mit einem solchen Worst-Case-Ansatz kann man im Bereich der Lebensmittelverpackungen keine Kreislaufwirtschaft aufbauen. Das würde viele Polymere von vornherein ausschließen“, sagt Frank Welle, Geschäftsfeldmanager Verpackung am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV.
Bei Polyethylenterephthalat (PET), dem Standardmaterial für Kunststoffflaschen, ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, ein geschlossenes Verwertungssystem aufzubauen. Polyolefine wie Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) nehmen Fremdsubstanzen dagegen viel leichter auf und geben sie auch leichter wieder ab als PET. Wenn gezeigt werden könnte, dass aus rezyklierten Polyolefinen in Lebensmittelverpackungen keine mutagenen Verbindungen austreten, könnte der Weg für ein breitflächigeres Recycling der Materialien frei werden.
Am Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) und an der FH Campus Wien hatte man bereits in einem Vorprojekt einen Test auf DNA-reaktive Substanzen für neue Kunststoffmaterialien etabliert.
„Unser Ziel war nun, diesen so zu modifizieren, dass er auch für rezyklierte Polyolefine angewandt werden kann“, sagt Michael Washüttl, der am OFI den Bereich Verpackung und Lebensmittel leitet. „Bei negativen Ergebnissen der verwendeten Bioassays könnte man ausschließen, dass mutagene Substanzen ins verpackte Gut übergehen. Zeigt sich aber ein Verdacht, ist es möglich, diesem mittels chemischer Analytik nachzugehen“, fasst Washüttl zusammen.
Bei den Bioassays, die am OFI und an der FH Campus Wien durchgeführt werden, handelt es sich um sogenannte Ames-Tests. Dabei werden Bakterien kultiviert, die die Aminosäure Histidin nicht bilden können und daher von selbst nicht lebensfähig sind. Setzt Wachstum ein, sind sie in Kontakt mit einer mutagenen Substanz gekommen.
Tatsächlich fand man in rezyklierten Fraktionen, was zunächst niemand erwartet hatte: potenziell genotoxische Substanzen. Dabei zeigte sich, dass Materialien aus einigen Verfahren ein potenziell mutagenes Verhalten aufwiesen, andere nicht. Mit dieser Methode konnte aber auch klar bestätigt werden, dass Recyclingkunststoffe, die heute schon für den Lebensmittelkontakt zugelassen sind, keine DNA-reaktiven Verbindungen enthalten: Wiederaufbereitetes PET erwies sich tatsächlich als gefahrlos.
Welche Verbindungen für die im Bioassay nachgewiesene Wirkung verantwortlich sein könnten, ist noch nicht bekannt. Die Forscher ermitteln daher in verschiedene Richtungen: Ist das Design bestimmter Aufbereitungsprozesse, beispielsweise ein Waschschritt, die Ursache? Eventuell könnten auch Abbauprodukte von Druckfarben hier eine Rolle spielen.
Angesichts der ersten Ergebnisse könnte es sein, dass mechanisches Recycling für Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff, die bisher noch nicht zugelassen sind, nicht empfohlen werden kann.
Washüttl sagt dazu: „Für ein gesundheitlich unbedenkliches Recycling von Polyolefinen forschen wir im nachfolgenden Projekt ‚SafeCycle‘ weiter an Ursachen.“
In den letzten Jahren wurden die Technologien des mechanischen Recyclings stark weiterentwickelt, sodass die Chancen gut sind, die Qualitäten von rezyklierten Polyolefinen weiter zu steigern. In einigen Proben aus einer Polypropylen-Pilotanlage wurden mit den Bioassays keine Hinweise auf mutagene Substanzen gefunden.
Das Folgeprojekt könnte klären, durch welche Methoden der Qualitätskontrolle mechanisches Recycling von Lebensmittelverpackungen begleitet werden muss. Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass mit der im Projekt angewandten Methode eine zusätzliche Sicherheitsstufe im Routinebetrieb eingezogen werden könnte, um verdächtige Ströme zu identifizieren. Dafür muss aber noch viel an Entwicklungsarbeit geleistet werden.
Methodisch zeichnet sich ab, dass zur GC noch weitere Werkzeuge hinzukommen werden.
„Mit dem GC-Screening schaut man durch ein bestimmtes Fenster, durch das man nicht alles sieht“, gibt Washüttl zu bedenken.
Es würde sich daher eine Erweiterung durch die HPLC anbieten, um auch weniger flüchtige Substanzen analysieren zu können. Genau dies wird nun im Nachfolgeprojekt „SafeCycle“ näher erforscht.
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