14.04.2020
Gerade im Bereich der Polymerwissenschaften und der Kunststofftechnik ist interdisziplinäre Zusammenarbeit das Erfolgsgeheimnis, da erst damit die Wertschöpfungskette von polymerbasierenden Produkten abgebildet wird: von der Chemie über die Verarbeitung zur Werkstoffphysik und dann zum anwendbaren Produkt. An unserem Department an der Montanuniversität Leoben und am PCCL bilden wir Forschung und Entwicklung entlang dieser Kette ab, wobei die Ausrichtung unserer Projekte manchmal grundlagenorientierter und manchmal anwendungsnäher ist.
Eines meiner Lieblingsthemen im Bereich Forschung ist die Wechselwirkung zwischen Kunststoffen und Licht: Reaktive Polymere finden sich beispielsweise in UV-härtbaren Beschichtungen für die Lackierung von Holz und Metall und in lichthärtbaren Druckfarben. Photolacke (Photoresists) sind in der Halbleiterindustrie zur Strukturierung der Halbleiter unentbehrlich. Ohne diese Polymere könnte kein IC gefertigt werden. Dies trifft in ähnlicher Weise auf die Leiterplattenindustrie zu. Lichtreaktive Drucktinten und Reaktionsharze werden auch für den Bereich des Additive Manufacturing genützt, z.B. für die Herstellung von medizintechnischen Produkten wie Orthesen durch Stereolithographie.
Lichtreaktive Kunststoffe sind auch als selbstheilende Beschichtungen einzusetzen, die einen Kratzer unter Licht wieder ausheilen. Sehr spannend sind auch Methoden, bei denen Licht als Stimulus zur lokalen Veränderung der Oberflächeneigenschaften oder sogar der Bulk-Eigenschaften von Kunststoffen eingesetzt wird: Damit kann der Transport von Flüssigkeiten an Oberflächen gesteuert werden und es lassen sich Meta-Materialien mit „adapti-ven Eigenschaften“ realisieren – ein hoch-aktuelles Thema. Hier ist natürlich noch viel Entwicklungstätigkeit erforderlich, um solche Materialien zur kommerziellen Anwendung zu führen. Diese Themen finden sich sowohl an meinem Lehrstuhl für Chemie der Kunststoffe (MU Leoben) als auch am PCCL.
Es ist mir durchwegs wichtig, die Anwendungen von „High-end“-Kunststoffen und Beschichtungen auch in der breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen: Solche Materialien finden sich in vielen Bereichen, die aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Gute Beispiele sind Kunststoffe in der Elektronik, z.B. Smartphones und Displays, aber auch in der Datenspeicherung, Medizintechnik und vieles mehr. Mit solchen Beispielen versuche ich, jungen Leuten die Faszination von Polymerwerkstoffen und deren Anwendungen näherzubringen. Man kann sehr leicht zeigen, dass das Thema Kunststoff nicht nur die vieldiskutierten Plastiksackerl umfasst. Dazu kommt, dass die Berufsaussichten von Kunststofftechnikerinnen und Kunststofftechnikern hervorragend sind.
Die Kunststofftechnik sieht sich aktuell mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert: Kunststoffe und Kunststoff-Verbunde müssen noch umfassender als bisher rezykliert werden. Dies ist – in Anbetracht der aktuellen Problematik – global zu sehen. Gleichzeitig wird erwartet, dass Kunststoffe noch umweltverträglicher werden, auch Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe haben ein großes Potenzial. Für Biopolymere ist noch viel Forschung und Entwicklung erforderlich, damit sich diese jungen Materialien mit etablierten Kunststoffen auf petrochemischer Basis messen können. Ich gehe davon aus, dass auch die Akzeptanz von Kunststoffen in der Öffentlichkeit wieder steigen wird, wenn es uns gelingt, solche Themen zu transportieren. Dies wird auch eine Aufgabe unseres 29. Leobener Kunststoff-Kolloquiums im September 2021 sein, bei dem wir 50 Jahre Kunststofftechnik Leoben feiern.
Das könnte Sie auch interessieren: