08.05.2017
Digitalisierung als Managementaufgabe, das stand im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion des Kunststoff-Clusters am 3. Mai 2017 in Kirchdorf. Im Fokus dieser in Kooperation mit der Technologiegruppe Kremstal und der Wirtschaftskammer im TIZ Kirchdorf durchgeführten Veranstaltung standen besonders Klein- und Mittelbetriebe.
Der Werkzeugbau nimmt seit jeher eine Schlüsselposition zwischen Produktentwicklung und Serienfertigung ein. Er befindet sich derzeit im Wandel: Der Wettbewerb wird internationaler und digitaler, darin waren sich die Teilnehmer der Fachtagung im Technologiezentrum einig. Die Digitalisierung bietet dem Werkzeugbau weitreichende Möglichkeiten, die Produktivität zu steigern. Grundlage dafür ist die digitale Vernetzung. Gerade im Werkzeugbau und insbesondere auch im internen Werkzeugbau passen die verfügbaren Systeme einer digitalen Produktionssteuerung mit jenen der Serienfertigung oft nicht zusammen. Angeregt durch die Impulsstatements mehrerer Branchenexperten entwickelte sich im vollgefüllten Veranstaltungssaals des Technologie- und Innovationszentrums Kirchdorf eine rege Podiumsdiskussion, bei der mit Christa Brandt und Rene Haidlmair auch Vertreter aus der Führungsetage zweier Kremstaler Werkzeugbauunternehmen am Podium saßen.
Rudolf Zwicker von der Zwicker TOP Consult GmbH aus Nürnberg zum aktuellen Entwicklungsstand: "31 Prozent der Werkzeugbaubetriebe beschäftigen sich aktiv mit der Umsetzung der digitalen Vernetzung. Eines ist aber auch klar – ohne Mitarbeiter wird es auch künftig nicht gehen. Wir brauchen das Know-how und praktikable, auf den Menschen am „Shopfloor“ angepasste, Prozesse".
Prof(FH) Dr. Klaus Altendorfer von der FH Steyr für Produktionslogistik zog in seinem Impulsvortrag „IT-gestützte Planung im Werkzeugbau“ auf zwei wesentliche Planungsaufgaben ab: die Neufertigung eines Werkzeugs und die Instandhaltung bzw. Bereitstellung von Werkzeugen an die Serienproduktion. Erstere bedarf einer projektartigen Planung, letztere verlangt ERP-Systeme bzw. eine direkte Schnittstelle zur Serienfertigung und eine Planung anhand operativer Fertigungsaufträge. Dafür müsse der Werkzeugbau seine Prozesslandschaft aufstellen und dann die passenden digitalen Applikationen auswählen – nicht umgekehrt.
Jürgen Hofbauer von der Firma Host-Softwareentwicklung stellte sein aus der Praxis für den Werkzeugbau entwickeltes modulares ERP-System Ulysses vor. Er ist überzeugt: "Die flexible Automatisierung und Planung der Ressourcenverfügbarkeit wird in Zukunft für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend sein. Firmen, die heute erfolgreich in Mitteleuropa produzieren, brauchen optimierte und spezifische Unternehmensprozesse. Diese können nicht durch „Out of the Box“ Lösungen abgedeckt werden."
Für Dr. Claus Hornig von der CLAHO Unternehmensberatung ist die Datenverfügbarkeit der wesentlichste Faktor, um überhaupt eine Digitalisierungsstrategie für kleine und mittlere Unternehmen auszuarbeiten: „Gelingt es, all die fraktalen Informationsquellen im Unternehmen stimmig und aktuell sämtlichen Prozessbeteiligten im Unternehmen verfügbar zu machen, entstehen Chancen zu mehr Transparenz und Effizienz für die Prozessbeteiligten im Werkzeugbau.“ Die Demokratisierung von Informationen aus den involvierten Unternehmensbereichen mit Hilfe entsprechender IT-Systeme führe zu einer wichtigen Steuerungs- und Entscheidungsgrundlage für das Management.
Meusburger, Weltmarktführer für Normalien für den Werkzeug- und Formenbau aus Wolfurt, Vorarlberg, gab Einblick in das firmeninterne Wissensmanagement und stellte vor, wie Meusburger daraus einen Leitfaden entwickelt hat. WBI, die Methodik hinter dem Wissensmanagement bei Meusburger, mache brachliegendes oder verborgenes Wissen zielgruppengenau sichtbar und somit nutzbar, so Joachim Zinnöcker, Vertriebsleitung Österreich und CEE. Er stellte das System vor, das vom Gründer von Meusburger schon vor einer Digitalisierung eingeführt wurde. Der Werkzeug- und Formenbau brauche für den Erfolg einerseits die Standardisierung von Komponenten, andererseits aber das Wissen wie technologisches Know-how im Unternehmen verfügbar gehalten wird. WBI sei dabei ein praktikabler Werkzeugkasten mit wertvollen Tipps und Anregungen, der skalier- und anpassbar an jede Unternehmensgröße und Unternehmensform ist.
Ralf Dürrwächter, Geschäftsführer des größten branchenspezifischen Netzwerks für den Werkzeug- und Formenbaus des Verbands der Deutschen Werkzeug- und Formenbauer (VDWF), brachte abschließend den Faktor Mensch für die Digitalisierung in den Fokus. „Wir reden von Industrie 4.0. Viele von den Mitarbeitern sind Industrie 3.0 und der Chef denkt 2.0, das macht es nicht einfacher. Wenn wir Erfolg haben wollen, ist es notwendig zusammenzuarbeiten. Wir müssen Formate der Kooperation schaffen, um kleinen Unternehmen bei der Digitalisierung zu helfen oder Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten.“ Dazu sei unabdingbar: Reden und Netzwerken, es müsse „menscheln“ in der Branche.“
Die Schnittstellen der Digitalisierung und des Unternehmenserfolgs müssen für die Anforderungen des Werkzeugbaus nicht unbedingt anders gedacht werden. Jedoch muss unter Berücksichtigung der oft projektbezogenen Auftragsabwicklung im Werkzeug- und Formenbau das Management wissen, bis zu welchem Prozess eine Digitalisierung Sinn macht und wo man mit erprobten Methoden am Shopfloor bleibt. Der Werkzeugbau muss „lean“ bleiben, die Mitarbeiter müssen zu Mitdenkern des Themas werden, das Management - egal bei welcher Unternehmensgröße - muss zuerst die Prozesshausaufgaben machen und dann die richtigen Schritte zu einer unterstützenden IT setzen.