Die Kunststoffbranche im Wandel

Portrait Michael Krause, Kunststoff-Institut Lüdenscheid
Michael Krause, Kunststoff-Institut Lüdenscheid © Markentrainer

09.11.2023

Michael Krause ist Geschäftsführer des Kunststoff-Instituts Lüdenscheid und dort u. a. für die strategische Weiterentwicklung der Plattform K-Branche verantwortlich. Er wird am 20. November beim Netzwerkabend des Internationalen Polymerkongresses über die Zukunft der Kunststoffbranche sprechen. KC-aktuell hat den Experten schon vorab zum Interview gebeten.

Welche wesentlichen Veränderungen bringt die Digitale Transformation in der Kunststoffspritzgussbranche für Unternehmen?

Es wird – insbesondere in den sehr umkämpften Branchen, in denen ein hoher Kostendruck besteht – darauf ankommen, dass Kosten reduziert werden, stärker automatisiert wird und die Prozesse generell effizienter werden, sodass digitale Lösungen hier eine treibende Kraft sein könnten. Diese können das Auftreten im Markt verändern und auch bestehende Geschäftsmodelle entsprechend ergänzen.


Wie werden sich die traditionellen Geschäftsmodelle in der Branche verändern und welche neuen Möglichkeiten sind entstanden?

Es gibt immer noch viele Unternehmen, insbesondere KMU, die die Digitalisierung noch nicht als wesentlich für ein Geschäftsmodell ansehen. Hier gilt es anzusetzen und deutlich zu machen, dass eine Digitalstrategie auf jeden Fall ein Geschäftsmodell gut ergänzen kann.


Welche Herausforderungen haben Kunststoffverarbeiter aufgrund von Konjunkturschwankungen und wachsender Konkurrenz zu meistern?

Kunststoffverarbeiter stehen unter enormem Druck. Auf der einen Seite gibt es eine Vielzahl von Branchen mit Kunststoffkomponenten, die im starken Umbruch stehen, etwa der Automotive- oder Verpackungsbereich. Die konjunkturellen Schwankungen in der Automotive-Branche beispielsweise führen dazu, dass die Hersteller unterschiedlich Leistungen abfragen und somit die Kunststoffverarbeiter mit sehr volatilen Umsatzschwankungen zu kämpfen haben. Dazu kommen die steigenden Energiekosten und höhere Löhne im Vergleich zur internationalen Konkurrenz. Auf der anderen Seite kommen eine Vielzahl von Gesetzesänderungen, z. B. im Verpackungsbereich oder in der Medizintechnik, die wiederum die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen fordert, um beispielsweise die Rezyklatanteile zu erfüllen. Ein weiteres Problem seitens der Verarbeiter ist die enge Bindung an wenige Kunden. Was die Gefahr birgt, dass bei konjunkturellen Schwankungen die Unternehmen gefährdet sind. Gleiches gilt, wenn Hersteller oder große Zulieferer ihre Produktionen verlagern und so vielleicht ein wichtiger Kunde mit hohen Umsatzanteilen wegfällt.


Wie können Unternehmen in der Kunststoffindustrie erfolgreich neue Branchen und Märkte erschließen?

Aufgrund der beschriebenen starken Veränderungen müssen sich Kunststoffverarbeiter fragen, wie ihre adressierten Branchen strukturiert sind. Kann ich beispielsweise noch dauerhaft in der Automotive-Branche bestehen? Hier kann die Ausrichtung auf neue Märkte zielführend sein. Insbesondere sollte strategisch geprüft werden, welche Stärken ich als Unternehmen habe und in welche Branchen ich meine Stärken überführen kann? Welche Nischenmärkte gibt es und wo sind die Strukturen der Wertschöpfung noch nicht so festgefahren? Wo entstehen viele Start-ups und wie kann ich Kundenbeziehungen aufbauen? Darüber hinaus kann ich als Unternehmen gezielt nach potenziellen Wachstumsbranchen Ausschau halten, wie z. B. der Medizintechnik. Jedoch gilt es auch hier einiges abzuklären: Wie ist der Wettbewerb, wie sind die Barrieren, welche Kompetenzen muss ich aufbauen und wie mache ich mir einen Namen am Markt?


Welche Strategien werden künftig notwendig sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Die oben beschriebenen Herausforderungen führen dazu, dass Unternehmen – insbesondere jene, die in der Wertschöpfung nachgelagert sind, also z. B. Kunststoffverarbeiter und Werkzeugbauer – sich stetig anpassen müssen und die Abhängigkeit zu wenigen Kunden verringern. Zudem gilt es, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen, indem man spezielle Materialien wie z. B. Rezyklate verarbeiten kann oder bestimmte Prozesse beherrscht, die nicht Standard sind in der Branche. Außerdem sollten die bestehenden Kundenbeziehungen intensiviert werden und mehr in Richtung Systemanbieter und Entwickler gehen, sodass die Kunden einen als Sparringspartner wahrnehmen. Darüber hinaus ist es wichtig, die Märkte zu verstehen. Welche Kundenstruktur gibt es, welche Kunden kenne ich? Wie kann ich zu potenziellen neuen Kunden Beziehungen aufbauen? Es geht also um die Entwicklung einer Vertriebs- und Marketingstrategie für das Unternehmen, um zu agieren und nicht nur auf die Wünsche der bestehenden Kunden zu reagieren. Zudem geht es um den Aufbau von Kooperationspartnern, um beispielsweise mittels Cross-Selling seinen potenziellen Kunden einen Mehrwert zu liefern, indem man durch die Zusammenarbeit mit einem Konstruktionsbüro dem Kunden seine Entwicklungskompetenz zeigt.


Was sind Ansätze, mittels Digitalisierung Umsätze oder Kundenbindung zu generieren?

Maschinenbauer machen es teilweise schon vor, etwa mit Lösungen und digitalen Services zum Support bei Fehlern. Daneben gibt es eine Vielzahl von Softwarelösungen für Simulationen usw. Die klassischen Kunststoffverarbeiter oder auch die Werkzeugbauer sollten die Digitalisierung für die Ergänzung des Geschäftsmodells nutzen, um Prozesse zu verbessern und Kosten zu reduzieren. Hierbei ist zu beachten, dass jedes Unternehmen individuell betrachtet werden muss. Eine stetige Kommunikation mit dem Kunden und die Versorgung des Kunden mit wesentlichen Informationen beispielsweise über die Prozesse, Mengen, QM-Überwachungen oder Lieferungen über digitale Wege kann die Kundenbindung steigern.