21.06.2021
Das Projekt bin-up.AT ist im Herbst 2019 gestartet – mit dem Ziel, aus Mülltonnen echte Wertstofftonnen zu machen. Die Behälter sollen zu 100 Prozent aus Post-Consumer-Kunststoffrezyklat hergestellt werden, das regional gesammelt und rezykliert wird.
Die Bilanz nach rund eineinhalb Jahren Projektarbeit: Ziel erreicht! Nun geht es darum, die entwickelte Recyclingtonne so weit zu etablieren, dass sie sich bei der öffentlichen Beschaffung durchsetzt.
Die Nachhaltigkeit von Wertstofftonnen wurde im Projekt genau unter die Lupe genommen. Rezyklat-Gehalte aus Produktionsabfällen oder externen Industrieabfällen stellen keine langfristige Lösung dar. Ebenso die Rückführung von alten Wertstofftonnen, die zwar Post-Consumer-Qualität hätten, aber nur maximal 20 Prozent des nötigen Materialstromes abdecken würden. Die restlichen 80 Prozent mussten somit durch geeignete Post-Consumer-Abfallströme und deren Compoundierung gedeckt werden. Dafür wurden in einem ersten Schritt die Materialströme beim Projektpartner LAVU GmbH gesichtet und sondiert.
Abfallströme aus Hart-Polyethylen (HDPE) schienen zunächst ideal, um die Materiallücke zu schließen. Hier sind vorrangig Hohlkörper-Waren wie beispielsweise Kanister verfügbar, die aber mengenmäßig nicht ausreichen, im Schmelzindex zu niedrig liegen und außerdem kritische Mengen (> 4 %) an Verunreinigungen aus Polypropylen (PP) enthalten. Mit HDPE-Flaschenkappen liegt das Problem am nicht vermeidbaren, noch höheren PP-Anteil. HDPE-Kistenwaren aus dem Spritzguss wären ebenso geeignet, sind aber am Sekundärmarkt schon völlig vergriffen.
Die Lösung konnte somit nur im Erschließen von weitläufig vorhandenen Post-Consumer-Abfällen liegen. Die Projektpartner Walter Kunststoffe GmbH und M2 Consulting GmbH richteten deshalb ihr Augenmerk auf LDPE-basierte Folienabfälle, also Produkte aus Weich-Polyethylen wie etwa Verpackungen oder Agrarfolien. LDPE-Abfälle stehen praktisch in allen Regionen Europas zur Verfügung. Ebenso wie spezielle Abfallfraktionen aus Lebensmittel-Barrierefolien, weshalb die Projektgruppe auch diese ins Portfolio mitaufgenommen hat. Mithilfe chemisch reaktiver Upcycling-Methoden, die die Projektpartner bereits im vorangegangenen Kooperationsprojekt „ecoprint“ erfolgreich erarbeitet haben, wurden letztlich Werkstoffeigenschaften generiert, die sämtliche Spezifikationsanforderungen des Projektpartners Europlast erfüllten. „Als besonderes Highlight wurde sogar noch erreicht, dass in diese Regranulat-Matrix ein sehr spezieller mineralischer Recycling-Füllstoff bis zu einer Menge von 20 % eingearbeitet werden konnte, ohne die Schlagzäheigenschaften wieder zu verringern. Wie sich zeigte, trugen diese mineralischen Additive auch noch zur optimalen Dispergierung aller Komponenten während des Compoundings und Upcyclings bei“, berichtet DI Hannes Meier von der M2 Consulting GmbH.
Parallel widmete sich die Projektgruppe auch der EU-Chemikalienverordnung REACH. LDPE-Abfallfraktionen verfügen nämlich über ein gewisses Spektrum an Komponenten und Eigenschaften. Besonders der Schwermetall-Gehalt, z. B. durch Cadmium aus alten Pigmenten, kann im Recyclingstrom noch immer erhöht sein. Diese Schwermetalle sind nur mit spezieller Röntgen-Analysetechnik quantitativ erfassbar. Kaum ein Labor eines Recycling-Unternehmens verfügt jedoch über so eine teure Gerätetechnik. Trotzdem können einige Institute im Umfeld diese Analysen relativ einfach vornehmen.
Schwieriger wird es da mit SVHC-Stoffen gemäß der ECHA-Kandidatenliste. Diese umfasst zurzeit 207 Stoffe und kein einziger davon darf dabei mit mehr als 0,1 Gewichtsprozent in Regranulaten vorhanden sein. Entsprechend aufwändig ist auch ihre Prüfung und nur wenige Institute europaweit können das in vollem Umfang abdecken. Zusammen mit dem Institut für Chemische Technologie Organischer Stoffe der JKU Linz entwickelte die Projektgruppe geeignete Kurzmethoden, anhand derer relativ rasch entschieden werden kann, ob man sich mit dem Regranulat in einem kritischen Bereich befindet oder nicht. „Mithilfe von Extraktionen mit verschiedenen Lösemitteln, anschließender Beschallung in einem beheizbaren Ultraschall-Bad sowie genauer Verwiegung der extrahierten und getrockneten Regranulate konnten wir vergleichsweise einfache Methoden ausarbeiten, die in einem Recycler-Labor gut Platz finden können und für die auch kein großes Investment nötig ist“, erklärt Meier.
Anhand der erarbeiteten Rezepturen und der absehbaren Logistik-Wege der Materialströme wurden in einem weiteren Schritt Carbon footprints der Recycling-Mülltonnen im Vergleich zu ihren Neuware-Pendants errechnet. Das Ergebnis: Durch Umstellung auf Recycling-Mülltonnen lassen sich ca. 80 % CO2 gegenüber der Neuware einsparen.
Beinahe die gesamte Wertschöpfung der im Projekt entwickelten Recycling-Mülltonne passiert in Österreich. Nur knapp ein Prozent der Wertschöpfung fließt unvermeidbar ins Ausland ab. Diese minimale Lücke ist laut Meier durch die eingesetzten Additive – insbesondere durch Stabilisatoren – im Upcycling-Prozess zu erklären. Entsprechende Berechnungen zeigten: Erster entscheidender Punkt für die Erzielung maximaler lokaler Wertschöpfung ist die Beschaffung bei einem österreichischen Hersteller, unmittelbar gefolgt von der Entscheidung zur Materialart „Rezyklat“. Hannes Meier bringt es auf den Punkt: „Eine in Österreich aus dem Kreislauf hergestellte 240-Liter-Mülltonne hinterlässt 1,97 € pro 1 € Verkaufswert – also fast genau ihren doppelten Wert – als Wertschöpfung im Land. Diese Erkenntnis sollte eigentlich für jede öffentliche Beschaffung ein wichtiges Kriterium werden.“ Bei der künftigen Produktvermarktung werden erstmals auch Wertschöpfungsfootprints auf den Datenblättern angeführt werden. Deren Errechnung erfolgt über die JKU Linz im Rahmen einer Zertifizierung für „Circular-Bins“.
Zur Kennzeichnung der Kreislaufwirtschaftsmülltonnen entwickelte die Projektgruppe ein eigenes registriertes Gütezeichen. Eine Digitalisierung des gesamten Kreislaufes befindet sich über die erstellte Website www.circular-bins.eu in Umsetzung. Mit ihr sollen Materialströme eindeutig identifizierbar bleiben und auch Zertifizierungen künftig möglich sein.
Das Kooperationsprojekt „bin-up.AT“ ging Ende April nach 18-monatiger Laufzeit erfolgreich zu Ende. Als Projektpartner waren dabei:
Dieses Projekt wurde aus Mitteln der oö. Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 vom Land OÖ sowie vom Land Kärnten gefördert.
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