In fünf Tagen zum Ökobilanz-Experten

Teilnehmer:innen und Vortragende im Innovationscamp PolyLifeCycle (v. l.): Johann Jr. Zimmermann (IM Polymer), Ute Zimmermann (IM Polymer), Wolfgang Posch (wBw), Alexandra Groiß (wBw), Stefan Philip Kernbauer (wBw), Anja Mellor-Blockhaus (wBw), Gernot Peer (SUNPOR), Johannes Liedauer (TECHNOFLEX), Johann Kappacher (DP&S Ingenieurbüro), Katharina Zilles (TECHNOFLEX), Fabian Coosmann (NaKu)
Teilnehmer:innen und Vortragende im Innovationscamp PolyLifeCycle (v. l.): Johann Jr. Zimmermann (IM Polymer), Ute Zimmermann (IM Polymer), Wolfgang Posch (wBw), Alexandra Groiß (wBw), Stefan Philip Kernbauer (wBw), Anja Mellor-Blockhaus (wBw), Gernot Peer (SUNPOR), Johannes Liedauer (TECHNOFLEX), Johann Kappacher (DP&S Ingenieurbüro), Katharina Zilles (TECHNOFLEX), Fabian Coosmann (NaKu) © Business Upper Austria
Innovationscamp PolyLifeCycle © AdobeStock/hogehoge511
Innovationscamp PolyLifeCycle © AdobeStock/hogehoge511

13.07.2022

Neue Umweltauflagen und Richtlinien erfordern von Unternehmen, sich verstärkt mit den Auswirkungen ihrer Produkte auf die Umwelt auseinanderzusetzen. Lebenszyklusanalysen (Life Cycle Assessment – LCA) oder Ökobilanzen erfüllen diesen Zweck. An fünf Seminartagen im Juni und Juli 2022 lernten Vertreter:innen von fünf Unternehmen aus der Kunststoffbranche im „Innovationscamp S – LifeCycle Assessments zur Identifizierung von Green Polymers“, wie sie solche Lebenszyklusanalysen für ihre Produkte erstellen können.

Veranstalter war der Lehrstuhl für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften der Montanuniversität Leoben (wBw) in Kooperation mit dem Kunststoff- sowie Cleantech-Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria.

„Das Innovationscamp war für unser Unternehmen ein wichtiger Baustein, um Grundlagenwissen im Bereich der Ökobilanzierung aufzubauen“, sagt Katharina Zilles von der TECHNOFLEX Verpackungen GmbH.

Steigende Anforderungen durch zunehmend verschärfte Umweltauflagen verlangen von Unternehmen, sich verstärkt mit den Auswirkungen ihrer Produkte auf die Umwelt auseinanderzusetzen. Eine Lebenszyklusanalyse in Form eines Life Cycle Assessments (LCA) oder Ökobilanz erfasst und bewertet die Umwelteinflüsse eines Produkts von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung oder Wiederverwertung. Sie kann dabei unterstützen, im Unternehmen Umweltschwachstellen zu identifizieren und Produktnormen zu erfüllen, aber auch zur strategischen Ausrichtung der Produktentwicklung dienen. Eine Analyse soll sich daher ökonomisch rechnen und Wettbewerbsvorteile bringen.


Theorie im Blickpunkt

Im ersten Block des Innovationscamps führte Wolfgang Posch, Leiter des wBw, in die Wichtigkeit von Lebenszyklusanalysen und Nachhaltigkeit ein. Dringlichkeit zur Berechnung von LCAs besteht nämlich nicht nur aus Umweltsicht, sondern auch aus unternehmerischer und wirtschaftlicher Perspektive. Auch Forschung und Entwicklung im Kunststoffsektor wurden beleuchtet. An die Unternehmensschwerpunkte der Teilnehmer:innen angepasst ergänzte Michael Feuchter, Senior Scientist am Lehrstuhl für Werkstoffkunde und Prüfung der Kunststoffe, den theoretischen Input um Daten und Fakten über Biopolymere. Weitere theoretische Inhalte waren: Ökobilanzierung als Teil des Umweltmanagements, Stoff- und Energiestrommanagement, Datenerhebung, Ökologische Bewertung und dessen Methoden. Anhand von anschaulichen Beispielen zeigte Anja Mellor-Blockhaus, wissenschaftliche Mitarbeiterin am wBw, die Unterschiede von echten, nachhaltigen Produkten im Vergleich zu Greenwashing-Marketingmethoden auf: „Gütesiegel und Zertifikate sollen beim Greenwashing Kundinnen und Kunden oft bewusst in die Irre führen und den Anschein erwecken, man kaufe ein nachhaltiges Produkt“.


Hausaufgabe Lebenszyklusanalyse

Nach einer Einführung in eine Ökobilanz-Software zum Erstellen von LCAs konzipierten die Teilnehmer:innen unternehmensspezifische Projekte. Diese arbeiteten sie zwischen dem ersten und zweiten Trainingsblock selbstständig zu Hause aus. Konkret mussten sie eine Lebenszyklusanalyse für ein ausgewähltes Produkt aus dem eigenen Unternehmen erstellen. Ansprechpartner:innen des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Betriebswissenschaften der Montanuniversität Leoben standen für Online-Sprechstunden zur Verfügung.


Rezyklat vs. Neuware

Im zweiten Block finalisierten und präsentierten die Teilnehmer:innen ihre Projekte. Gernot Peer von der SUNPOR Kunststoff GmbH wählte das Material für einen Fahrradhelm als Anschauungsbeispiel. Er verglich die Verwendung von EPS-Neuware und EPS-Rezyklat für die Produktion des Helms und zeigte, dass hier enormes Einsparungspotenzial besteht: „Die CO2-Bilanz fällt mit Rezyklat deutlich besser aus.“ Auch Katharina Zilles und Johannes Liedauer von TECHNOFLEX verglichen Neuware mit Rezyklat. Konkret befassten sie sich mit PET für die Thermoformverarbeitung. Die Erkenntnisse will Katharina Zilles nun für ihre Kund:innen nutzen. „Das ist vor allem für Vergleichsbewertungen unseres Produktportfolios für unsere Kundinnen und Kunden ein wichtiger Punkt. Dadurch können in Zukunft Nachhaltigkeitsbetrachtungen weiterentwickelt und Innovationen vorangetrieben werden.“


Biokunststoffe und Checklisten

Andere Teilnehmer:innen analysierten Biokunststoff-Sackerl und Folien aus Biokunststoffen. Nicht immer stand der gesamte Produktlebenszyklus (Cradle to Grave) im Fokus. Cradle-to-Gate-Analysen, also bis zum Werkstor, können die Komplexität einer LCA deutlich reduzieren und schneller Einblicke, insbesondere über interne Prozesse, liefern. Ein Teilnehmer entwickelte Checklisten und Datenerhebungsbögen als Beratungsgrundlagen für Anfragen seiner Kund:innen zur Erstellung von Ökobilanzierungen.


Bedeutsames Datenmanagement

Um den Umfang einer ausführlichen Lebenszyklusanalyse zu visualisieren, präsentierte Alexandra Groiß, Universitätsassistentin am Lehrstuhl Wirtschafts- und Betriebswissenschaften der Montanuniversität Leoben, komplexere Modelle. Sie verglich die Bilanz einer PET-Flasche in der Produktion ohne Verpackungsmaterial mit einer Bilanz inkl. aller Verpackungsvarianten wie Paletten, Schrumpffolien etc. entlang des Produktionsprozesses. Das überraschende Ergebnis: Die Ökobilanz unterscheidet sich kaum, die Erstellung der LCA hingegen ist bei der Berücksichtigung der Verpackungsmaterialien enorm aufwendiger. Groiß verglich auch die Glasflasche mit der PET-Flasche und adaptierte dabei verschiedene Parameter: Wird das Getränk gekühlt oder ungekühlt verkauft? Wird PET oder rPET verwendet? Wie ist die Transportart? So machte sie den Teilnehmer:innen deutlich, wie einzelne Parameter das Ergebnis beeinflussen und wie bedeutend das Daten- und Informationsmanagement ist: „Schnittstellen sind für die Erstellung von Ökobilanzen extrem wichtig. Wenn Daten beispielsweise hinsichtlich des Energieaufwandes bei der Wartung einer Maschine von Expert:innen ausgelesen werden, müssen diese Informationen auch an die zuständige Stelle im Unternehmen weitergegeben werden.“

 

Das Programm wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gefördert und von der FFG abgewickelt.