24.06.2021
Eigentlich klingt es ganz einfach: Materialien werden nach ihrer Lebens- und Gebrauchsdauer samt scheinbar unbrauchbaren Komponenten zu Erzeugnissen transformiert, die denselben oder einen neuen Zweck erfüllen. Aber warum der ganze Aufwand? Prognosen für das Müllaufkommen im Jahr 2025 zeigen: Wenn wir nicht rasch etwas tun, werden wir in unserem Müll ersticken.
Nach Berechnungen der Weltbank steigt die Müllmenge der OECD-Staaten auf voraussichtlich 1,7 Mio. Tonnen pro Tag. Weltweit sogar auf 6 Mio. Tonnen. Pro Kopf hieße das bis 2025 rund 1,42 kg Müll täglich. Dazu kommt, dass asiatische Länder nicht länger die Müllkippe Europas sein wollen. Beim Kunststoffabfall als nicht unwesentlichem Teil dieser Müllmenge wird – in Anbetracht des Volumens – vor allem in Malaysia verstärkt auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit gesetzt. China hat selbst Probleme, den im Land anfallenden Plastikmüll zu entsorgen oder zu recyclen. Deshalb wurden Lieferverträge gekündigt oder ausgesetzt.
Um die von der EU vorgegebene Recyclingquote in der Kunststoffsparte zu erreichen (50 % bis 2025), muss das Recycling verdoppelt werden. Insgesamt sind in Österreich zehn Recyclingbetriebe mit 550 Mitarbeitern mit Kunststoffrecycling beschäftigt. Um eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu etablieren, will die EU auch die Verwendung von recyceltem Plastik bei der Herstellung neuer Produkte fördern. Die Europäische Kommission wird voraussichtlich bis 2022 verpflichtende Mindestquoten zwischen 15 und 30 Prozent für die Verwendung von Rezyklaten in neuen Produkten einführen.
Das Erreichen dieser Ziele wird große Investitionen in der gesamten KunststoffWertschöpfungskette erfordern. Die Umsetzung der vorgegebenen Ziele könnte die Abfallwirtschaft, das Recycling und die Kunststoffproduktionsindustrie erheblich umgestalten. So wird die Einführung von Quoten dazu führen, dass die kunststoffverarbeitende Industrie ihre Produktion anpassen muss, um mehr recycelte Kunststoffe zu verwenden. In der Folge wird die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Rezyklaten deutlich steigen. Durch legislative Maßnahmen wie Ökomodulation bei Verpackungslizenzentgelten oder eine Herstellerabgabe (Plastic Tax) wird Neuware-Kunststoff künstlich verteuert. Dazu kommt, dass eine Zunahme des Bedarfs an Rezyklaten auch zu Preissteigerungen führt.
Das haben auch große Unternehmen erkannt und stellen sich auf die neuen Rahmenbedingungen durch den Zukauf von Recyclingunternehmen ein. Aus eher kleinen Nischenbetrieben sind begehrte Übernahmekandidaten geworden. „GoodCompanies“, die früher einen Nischenmarkt bedienten, sind inzwischen Objekte der Begierde von Konzernen. Im Fokus stehen dabei die drei „R” des „United Nations Environment Programme” (UNEP): Reduce, Reuse und Recycling, um durch eine längere Produktlebensdauer weniger Materialverschwendung und somit weniger Abfall zu erzeugen. Innovationen für alternative Produktzyklen sind gefragt.
Auch für die Abfallmanagement- und die Kunststoffindustrie werden die EU-Regelungen wohl erhebliche Folgen mit sich bringen. Die höhere Nachfrage nach recyceltem Kunststoff dürfte sich etwa positiv auf Sortierunternehmen auswirken, weil der Bedarf, Kunststoff von Restmüll zu trennen, stark steigen wird. Hersteller von Neuware hingegen sollten ihre Unternehmensstrategie überdenken. Denn der zunehmende Einsatz von Rezyklaten könnte ihre Marktanteile sinken lassen.
Kunststoff-Wertschöpfungskette Den größten Mehrwert durch nachhaltiges Wirtschaften werden künftig diejenigen europäischen Unternehmen erzielen, die ihre Geschäftsmodelle getreu dem Prinzip „Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln“ umgestalten. Große Konzerne wie Borealis, die Schwarz Gruppe rund um den Diskonter LIDL, die Steinbeis Gruppe und andere Big Player im Verpackungsbereich wie ALPLA haben den aufstrebenden Markt erkannt und vor- bzw. nachgelagerte Unternehmen zugekauft. Recycling spielt mittlerweile eine sehr große Rolle, sowohl im Marketing – sprich Imagepflege – als auch in der Technologie. Firmen geraten zunehmend unter Zugzwang, qualitativ hochwertige Rezyklate in ausreichender Menge anbieten zu können.
Einige Beispiele illustrieren die „Übernahmeschlacht“: Die OMV hat Borealis zur Gänze übernommen und wirbt jetzt mit der Strategie von Borealis, die wiederum mtmplastics und Ecoplast gekauft hat. Darüber hinaus gibt es auch das ReOil-Projekt (chemisches Recycling), das von der OMV in Zusammenarbeit mit Borealis vorangetrieben wird. Damit ist die OMV nicht allein auf weiter Flur: Fast jeder Öl- und Gaskonzern richtet den Fokus auf Recycling.
Recycling-Pionier Die deutsche Steinbeis Gruppe hat den größten Kunststoffrecycler Österreichs, die Kruschitz GmbH aus Kärnten, gekauft. Kruschitz arbeitet seit 30 Jahren an Lösungen für ein zeitgemäßes Recycling von Abfällen. Produziert wird an zwei Standorten in Österreich und einem Standort in Deutschland. Im Mittelpunkt steht überall das Arbeiten an innovativen Recyclinglösungen für verschiedenste Kunststoffe. Erzeugt werden Kunststoffgranulate in hochwertiger, bedarfsgerechter Qualität, die in einer Vielzahl von Produktionsanwendungen eingesetzt werden. Ziel ist es, verschiedene Stoffströme nachhaltig wiederzugewinnen und in den Kreislauf zurückzuführen. Die Kruschitz GmbH wurde erfolgreich von Werner Kruschitz aufgebaut. Im Jahr 2019 hat der strategische Investor Steinbeis Holding das Unternehmen übernommen.
Die 35 Angestellten des 2011 gegründeten Start-ups Carbios in Frankreich könnten die gesamte Recyclingbranche auf den Kopf stellen. Grund ist ein bakterielles Enzym, das als Katalysator wirkt: Es zerlegt die langen Polymerketten, die Polyethylenterephthalat (PET) eigen sind, auf natürliche Weise in ihre Bestandteile. Die Carbios-Biologen haben das Enzym nicht selbst erfunden. Sie untersuchten Tausende von Mikroorganismen auf einer Mülldeponie und entdeckten schließlich einige, die Enzyme entwickelt hatten, die PET abbauen können. Der natürliche Prozess verlief langsam, durch Mutationen ist es gelungen, den Abbau so stark zu beschleunigen, dass es eine PET-Flasche binnen zehn Stunden zu 90 Prozent abbauen kann.
Sind die Kunststoffpolymere einmal zerlegt, beginnt die Wiederaufbauarbeit. Aus den Molekülen werden Plastikkörner geformt. Dieses Granulat stellt ein neues Plastik dar, ist also kein recycelter Stoff. Aus einer grün gefärbten PET-Flasche kann ein rotes T-Shirt fabriziert werden, aus schwarzem Polyester eine durchsichtige Lebensmittelverpackung. Ohne dass ein Tropfen Erdöl verwendet wird, entstehen neue PET-Flaschen, Plastikbehälter für Lebensmittel oder Polyesterfasern.
Die im Besitz von Peter Daniell Porsche stehende und von Geschäftsführer Rafael Walter geleitete PDP Holding GmbH hat sich bei den Beteiligungen auch den ökologischen Umgang mit Ressourcen auf die Fahnen geheftet. Seit 2017 ist PDP Alleineigentümer der Reststofftechnik GmbH, die zu Europas Leitbetrieben im Bereich ressourcenschonender Abfallwirtschaft zählt. Der Unternehmensverbund ist seit 2007 vom ÖAKR (Österreichischer Arbeitskreis Kunststoffrohrhersteller) mit der flächendeckenden Sammlung aller in Österreich anfallenden Kunststoffrohrabfälle beauftragt.
Zusammen mit zahlreichen Entsorgungspartnern werden jährlich ca. 1.600 Tonnen Rohrabfälle einer Verwertung zugeführt. Dabei setzt PDP auf eine Recyclinganlage, die weltweit einzigartig ist. Sie kann die Kunststoffgruppen vollautomatisch sortieren und jeweils einer Wiederverwertung als Rohstoff zuführen. Dieses Trennverfahren hat das Unternehmen selbst entwickelt und führt es seit 2008 im Zwei-SchichtBetrieb durch.
Erfolgreich in Nischenmärkten Die wenigen verbliebenen unabhängigen Recycler bedienen vor allem regionale Märkte und Nischen, die sie sich selbst erarbeitet haben. Die MGG Polymers als Teil der MG Gruppe hat sich durch Spezialisierung gut und innovativ aufgestellt. Walter Kunststoffe aus Gunskirchen ist einer der letzten verbliebenen unabhängigen Recycler. Aber auch bei ihm klopften schon die großen Konzerne an.
Das könnte Sie auch interessieren:
KI verbessert
Kunststoffrecycling