22.04.2021
In Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder bei der medizinischen Selbstversorgung sind Geräte, Verpackungen oder Hilfsmittel aus Kunststoff heute allgegenwärtig. Geräte, die bisher aus Stahl, Keramik oder Glas gefertigt wurden, werden nun aus diesem langlebigen, kostengünstigen Material hergestellt. Viele Behandlungsmethoden sind erst durch den Werkstoff Kunststoff möglich geworden.
Ohne Kunststoff wäre eine Versorgung auf heutigem Niveau nicht möglich und vor allem aufgrund der relativ niedrigen Kosten und der Großserientauglichkeit des vielseitigen Werkstoffs nicht für Milliarden von Menschen verfügbar. Die gesetzlichen Vorgaben an den Werkstoff in Bezug auf Patientensicherheit sind sehr hoch. Kunststoff muss technischen Anforderungen wie Sterilisierbarkeit, Prozessstabilität oder chemische Beständigkeit standhalten. Darüber hinaus gelten für medizinische Werkstoffe strengste nationale und internationale Standards sowie Regularien bzw. Gesetze.
Es gibt eine Vielzahl von Anwendungen im Gesundheitswesen: Medizinische Einwegprodukte wie Einmalspritzen, Blutbeutel, sterile Verpackungen erleichtern nicht nur die Arbeit des Gesundheitspersonals, sondern dienen auch der Sicherheit von Personal und Patient*innen im Krankenhaus, an einem Unfallort oder zuhause. Heute wird Kunststoff auch für verschiedene Arten von internen Implantaten verwendet, von Kathetern bis hin zu Gelenkersatzteilen. Das meiste, das in einem modernen Krankenhauszimmer zu sehen ist, besteht aus irgendeiner Form von Kunststoff. Zahlreiche KC-Partnerunternehmen sind bei Produkten und Innovationen federführend.
In der Medizintechnik gewinnt der Werkstoff Kunststoff immer mehr an Bedeutung. Steril, flexibel, bruchsicher, durchsichtig oder blickdicht – das sind nur einige der Gründe, die dafür verantwortlich sind, dass mehr als 50 Prozent der medizinischpharmazeutischen Produkte aus Kunststoff hergestellt werden. Rund 35 Unternehmen im Kunststoff-Cluster stellen Produkte für medizinische Anwendungen her, sind als Dienstleister bei Medizintechnik tätig oder bauen Anlagen für die Produktion im medizinischen Umfeld. Medizinische Geräte wie chirurgische Werkzeuge sind ideal für den einmaligen Gebrauch, wenn sie aus medizinischem Kunststoff hergestellt sind. Die Ausbreitung von gefährlichen Infektionen und Krankheiten kann verhindert werden, indem das Personal die Einwegwerkzeuge nach dem Eingriff einfach entsorgt. Es gibt aber auch spezielle Kunststoffe, die in medizinischen Geräten mit antimikrobiellen Oberflächen eingesetzt werden.
Speziell bearbeitete Oberflächen sind hochwirksam bei der Abwehr und Abtötung gefährlicher Bakterien, auch wenn sie nicht regelmäßig sterilisiert werden. Mediscan, ein Tochterunternehmen der Greiner Bio-One International, ist Dienstleister im Bereich der Sterilisation von medizinischen Produkten. Unmittelbar neben dem Produktionsgebäude von Greiner Bio-One situiert, werden sämtliche Medizinprodukte von Greiner Bio-One vor der Auslieferung an die Kunden bei Mediscan behandelt. Die absolute Keimfreiheit ist eine Grundvoraussetzung bei einer Vielzahl medizinischer Produkte. Dabei arbeitet Mediscan in erster Linie mit der Elektronenstrahl-Technologie (E-BeamTechnologie). Diese Sterilisation mit ionisierender Strahlung hat den großen Vorteil, dass Produkte in der Endverpackung – sogar im fertigen Versandkarton – sterilisiert werden können. Im Gegensatz zur Sterilisation mit Ethylenoxid ist keine teure, gasdurchlässige Verpackung notwendig. Außerdem kann das Produkt direkt nach der Behandlung, ohne Ausgaszeiten einhalten zu müssen, verwendet werden. Die Behandlung mit ionisierender Strahlung ist kosteneffizient und sicher. Neben der Elektronenstrahlbehandlung bietet Mediscan auch Röntgenbehandlung (X-Rays) und – am Standort Seibersdorf – Gammabestrahlung an. Das Unternehmen hat sich zudem auf die Funktionsverbesserung von Kunststoffen und Halbleitern mittels ionisierender Strahlung spezialisiert.
„In der Beschaffung erfahren internationale Lieferketten aktuell eine deutliche Belastungsprobe. Umso mehr sehe ich künftig Chancen für lokale Kooperationen, insbesondere im technologischen Bereich. Wir bei Greiner Bio-One setzen bei der Entwicklung unserer Technologien seit Beginn verstärkt auf die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern.“
Rainer Perneker, CEO Greiner Bio-One International GmbH
Da medizinischer Kunststoff bruchsicher und undurchlässig ist, ist er eine hervorragende Lösung für den sicheren Transport von biologisch gefährlichen Materialien. Der sichere Abtransport von medizinischem Abfall hilft, die Verbreitung gefährlicher Krankheitserreger zu verhindern. Medizinischer Kunststoff wird auch für manipulationssichere Verschlüsse verwendet, die sicherstellen, dass die Arzneimittel eines Patienten nicht manipuliert werden. Sichere Blutentnahme Greiner Bio-One ist mit 2.320 Mitarbeiter*innen an 28 Standorten in 20 Ländern das heimische Vorzeigeunternehmen. Das Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Qualitätsprodukte aus Kunststoff für den Laborbedarf. Im Geschäftsfeld Preanalytics mit Sitz in Kremsmünster entwickelt und produziert Greiner Bio-One innovative Entnahmesysteme für Human- und Veterinärproben aus Blut, Urin und Speichel. Greiner Bio-One bringt im Frühjahr dieses Jahres das neue VACUETTE® EVOPROTECT Sicherheitsblutentnahmeset auf den Markt. Diese innovative Entwicklung soll die Sicherheit bei der Blutentnahme für das medizinische Personal noch weiter erhöhen. Das Produkt zeichnet sich durch eine intuitive Handhabung und einen halbautomatischen Sicherheitsmechanismus aus. Der Mechanismus wird aktiviert, während sich die Nadel noch in der Vene des Patienten befindet. VACUETTE® EVOPROTECT beugt Nadelstichverletzungen zuverlässig vor.
Das VACUETTE® Virus Stabilisierungsröhrchen wurde von Greiner Bio-One innerhalb kürzester Zeit entwickelt und zum Transport und zur Stabilisierung des Virus SARS-CoV-2 auf den Markt gebracht. In Kombination mit den Produkten der VACUETTE® Transportlinie gelangen die Abstriche aus Nase oder Rachen im Röhrchen sicher ins Labor. Virale RNA kann so extrahiert und mit Nukleinsäure-Amplifikationstechniken nachgewiesen werden. Seit Anfang des Jahres 2021 kann das Röhrchen auch zur Testung von Influenza-Infektionen (A, B) eingesetzt werden. „Durch die COVID-19-Pandemie rückten die Verfügbarkeit und Relevanz von sicheren und verlässlichen Kunststoffprodukten in der Medizintechnik in den öffentlichen Fokus. Die Pandemie zeigt auch die Notwendigkeit für rasches Reagieren auf Veränderungen. Agilität und rasches Handeln sowie eine enge Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden werden künftig noch an Bedeutung zulegen“, ist Rainer Perneker, CEO Greiner Bio-One International GmbH, überzeugt.
Medizinische Kunststoffe haben auch dazu beigetragen, das Leben von Amputierten angenehmer zu gestalten. Da Kunststoff dank des Spritzgießens hochgradig personalisiert werden kann, kann ein Patient eine leichte, langlebige Prothese erhalten. Viele Kunststoffe sind auch hypoallergen, sodass Patienten mit Allergien gegen herkömmliche medizinische Materialien wie Latex ein geringeres Risiko für Reaktionen während der Behandlung haben. COLLIN Lab & Pilot Solutions, ein Tochterunternehmen der NGA Next Generation Analytics und zertifiziert nach ISO 9001:2000, stellt seit mehr als 45 Jahren hochpräzise und kompakte Extrusionskomponenten und Anlagen für Labor- und Pilotanwendungen her. Dieses Marktsegment erfordert Maschinen und Anlagen, die sehr flexibel unter sich ständig ändernden Rahmenbedingungen eingesetzt werden können. Als Marktführer in diesem Bereich sind alle notwendigen Voraussetzungen gegeben, Anlagen für die Produktion im medizinischen Umfeld zu entwickeln und erfolgreich in Betrieb zu nehmen. Neben einer Reihe von speziellen Walzwerken für die Vorentwicklung und Produktion von Pharmazeutika werden auch Anlagen zur Herstellung von IV-Beuteln, medizinischen Nähgarnen und Wundauflagen gefertigt. Die neueste Entwicklung ist eine Produktionsanlage zur Herstellung von medizinischen Mund-Nasenschutz-Masken.
Die COLLIN Medical Line perfektioniert die Herstellung von mehrschichtigen Multilumen- bzw. Kunststoffschläuchen für medizinische Anwendungen. In der modernen Medizin wird eine nahezu unübersehbare Vielfalt an Schläuchen eingesetzt. Beispiele für deren Einsatzgebiete sind Schläuche für invasive Eingriffe, Dialyseschläuche, Infusionsschläuche, Katheterschläuche, Drainageschläuche etc. Das Spektrum der Durchmesser reicht hier von dünner als ein menschliches Haar (<100 μm) bis ca. 5 mm. „Die innere Geometrie der Schläuche reicht von einfachen Monolumen- bis hin zu Multilumen-Schläuchen, die bis zu sieben voneinander getrennte Kanäle enthalten. Klar ist, dass alle geometrischen Parameter extrem eng toleriert sind. Diese geometrische Vielfalt wird multipliziert durch den Einsatz unterschiedlichster Kunststoffe“, erklärt DI Dr. Friedrich Kastner, CEO/Managing Partner COLLIN Lab & Pilot Solutions.
Das breite Anwendungsspektrum, die niedrigen Herstellungskosten und die Langlebigkeit von medizinischem Kunststoff machen ihn zu einer begehrten Investition in der modernen Medizin. Geräte aus Metall und Glas sind anfällig für Korrosion und Zersplitterung, aber Kunststoff ist gegen beides resistent. Während einige Kunststoffgeräte für den einmaligen Gebrauch hergestellt werden, sind andere Geräte für wiederholte Sterilisationen ausgelegt und halten wesentlich länger. Kunststoffe sind recycelbar, was sie zu einer der umweltfreundlichsten Optionen für medizinische Geräte macht. Dank medizinischer Kunststoffe ist es für Gesundheitsdienstleister viel einfacher, ihre anspruchsvollen medizinischen Anwendungen zu erfüllen und dabei umweltbewusst zu bleiben.
Die medizinischen Kunststoffinnovationen, an denen derzeit geforscht wird, könnten der Gesundheitsbranche einen noch größeren Nutzen bringen. Der 3D-Druck macht es viel einfacher, kostengünstige und komfortable Prothesen herzustellen. Forscher testen derzeit einen injizierbaren Kunststoff, der helfen könnte, Blutungen aufgrund von inneren Verletzungen sanft zu stillen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und scheinbar endlos.
Auch im Bereich der Wundversorgung ist die moderne Kunststofftechnik nicht wegzudenken. Lohmann & Rauscher (L&R), ein international führender Entwickler, Hersteller und Anbieter von erstklassigen Medizin und Hygieneprodukten, setzt diese in seinem innovativen Unterdrucktherapiesystem Suprasorb® CNP ein. Mit Suprasorb® CNP, das sowohl in der Klinik als auch im ambulanten Bereich verwendet werden kann, können komplexe und chronische Wunden versorgt werden. Durch die Verwendung von Multilumen-Schläuchen ist eine permanente Messung des Unterdrucks direkt in der Wunde, und dies selbst bei einer invasiven Anwendung, möglich. Damit kann der für die Heilung notwendige, möglichst stabile Unterdruck aufrechterhalten werden. Etwaige Blockaden werden rechtzeitig erkannt und können – soweit möglich – durch das Therapiesystem auch während der Behandlung behoben werden. Gemeinsam mit Partnern aus der Kunststoffindustrie konnte z. B. ein flexibler Multilumen-Konnektor zur gasdichten und flüssigkeitsdichten Verbindung von Multilumen-Schläuchen entwickelt werden. Eine weitere innovative Lösung ist die von L&R angebotene Suprasorb® CNP Tiefendrainage. Sie stellt durch eine Tiefenbelüftung eine effiziente Ableitung von Exsudat bei einer invasiven Anwendung sicher.
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