Mobilität 2055: Interview mit dem AC-Manager

Geschäftsmann, der moderne intelligente Autoschnittstelle 3D-Rendering verwendet
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18.10.2021

Wie wir uns in Zukunft fortbewegen werden, steht noch völlig in den Sternen. Klar ist, dass das Aus für Verbrennungsmotoren mit dem EU-Klimapaket „Fit for 55“ besiegelt ist. Was das für unsere Automobilzulieferer bedeutet und wo die Kunststoffbranche tangiert wird, verrät Automobil-Cluster-Manager Florian Danmayr im Interview.

Das EU-Klimapaket sieht vor, dass der Verkehr bis 2055 emissionsfrei sein muss. Was bedeutet das für die Automobil- bzw. deren Zulieferindustrie?

Die EU-Kommission hat die bekannten CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge bis 2030 nochmals drastisch nach unten gesetzt und mit 2035 einen Wert von Null definiert, ein De-facto-Aus für konventionelle Verbrennertechnologie. Das bedeutet erstmal, dass es eine Menge an neuen technologischen Lösungen brauchen wird, die die Fahrzeughersteller in dieser Zeit nicht alleine stemmen können, sondern nur in intensiver Kooperation mit innovativen Zulieferern. Natürlich bedeutet es aber auch, dass viele bewährte Technologien und Konzepte unter Druck kommen und ein Umdenken notwendig sein wird. Zur Bewältigung der Klima-Herausforderung sind ambitionierte Ziele notwendig und als solche würde ich die „Fit for 55“-Agenden einordnen, das letzte Wort ist dabei sicher noch nicht gesprochen.

Werden wir 2055 alle elektrisch fahren?

Wir werden bis dahin mit annähernd null Emissionen fahren (müssen). Es werden sich bis dahin viele technologische Optionen entwickelt haben, auch zusätzlich zu den jetzt bekannten Null-Emissionstechnologien wie batterie-elektrische und Wasserstofffahrzeuge. CO2-neutrale Treibstoffe können speziell in Bereichen wie der Luft- und Schifffahrt eine entscheidende Rolle spielen. Fakt ist: Schwarz-Weiß-Malerei wird nicht funktionieren, wir werden eine anwendungsspezifische Vielfalt im Mobilitätsbereich erleben.

Wie sieht es aktuell mit der Brennstoffzelle bzw. dem Wasserstoff als alternativem Antrieb aus?

Man geht klar davon aus, dass der Einsatz von Wasserstoff und Brennstoffzellen im Transportwesen und dort ab Distanzen über 500 km zum Einsatz kommen wird. Aktuell stellen aber sowohl die Verfügbarkeit von Fahrzeugen als auch die mangelnde Infrastruktur ein Problem dar. Prototypenfahrzeuge, kleinere Flotten in kontrollierten Umgebungen und Ergebnisse aus Forschungsprojekten zeigen aber vielversprechende Ergebnisse. Das Know-how aus OÖ und die Kooperation mit der heimischen Forschung sind international gefragt, das zeigen nicht nur die Aktivitäten des Weltmarktführers in der Brennstoffzellentechnologie, Plastic Omnium, mit der Plastic Omnium New Energies GmbH in Wels.

Was sind eigentlich eFuels und haben die eine Zukunft?

eFuels sind synthetisch hergestellte Treibstoffe, bei denen sehr vereinfacht gesprochen in einem äußerst energieintensiven Prozess aus Wasser und CO2 Kraftstoffe hergestellt werden. Diese können mit wenig Aufwand auch in bestehenden Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen. In der Klimadiskussion wird immer nur vom Stopp von Neuzulassungen von Verbrennern gesprochen, es gibt aber auch eine fahrende Flotte von mehreren Hundertmillionen Fahrzeugen in Europa. Diese könnten in einer Übergangszeit mit eFuels CO2-neutral betrieben werden. Aktuell haftet eFuels noch die geringe Gesamteffizienz und der teure Herstellprozess als Nachteil an.

Automobil und Kunststoff – wo bestehen die Zusammenhänge, Überschneidungen, Synergien?

Kunststoff ist einer der Treiber von nachhaltigem, leistbarem und intelligentem Leichtbau. Ohne leichte und günstig herzustellende Fahrzeuge wird der Mobilitätswandel nicht möglich sein. Speziell die Aktivitäten der Branche in Richtung Kreislauffähigkeit der eingesetzten Werkstoffe ist als positiv hervorzuheben. Aber nicht nur im Bereich Gewicht und Kosten kann Kunststoff punkten, auch was das Nutzererlebnis und die Digitalisierung im Fahrzeug betrifft, ist Kunststoff der Schlüssel. Smarte Oberflächen, innovative Displaytechnologien sowie aktive und passive Sicherheitslösungen wären ohne Kunststoff nicht denkbar.

Wie sehr kann der Leichtbau zum Erreichen der Klimaziele beitragen?

Ähnlich wie bei den vielfältig zu erwartenden Antriebsstranglösungen kommt es auch bei den eingesetzten Materialien im Fahrzeugbau vermehrt zu hybriden Lösungen. Kunststoff wird dort eingesetzt, wo er seine Eigenschaften ideal ausspielen kann, muss aber z. B. hinsichtlich Fügetechnologie mit Werkstoffen wie Stahl und Aluminium kompatibel sein. Mehrgewicht durch Batterien in E-Fahrzeugen oder durch viele Komfort- und Sicherheitsfeatures in Fahrzeugen muss durch Leichtbau kompensiert werden. Je weniger Masse bewegt werden muss, umso mehr Energie kann eingespart werden.

In Elektroautos bzw. in deren Batterien ist auch Kunststoff verbaut. Was tut sich da aktuell?

Die Entwicklungen am Batteriemarkt sind vielfältig und hoch dynamisch. Unterschiedliche Zelltypen, unterschiedlichste Batteriewannenkonzepte, Thermomanagement und Safety-Aspekte, um nur einige Themen herauszupicken. Ein in ersten Generationen nur halbherzig berücksichtigter Punkt ist die Recyclingfähigkeit von Batterien. Fest verschweißte Wannen mit eingeschäumten Zellen sind am End-of-Life schwierig zu behandelnde Komponenten. Hier sind alle Player gefordert, unter dem Motto „design for recycling“ Lösungen zu liefern. Speziell aber auch, was Thermomanagement („Wohlfühltemperatur“ der Zellen gewährleisten) und Sicherheit (Brandschutz) betrifft, kann Kunststoff in aktuellen Entwicklungen seine Stärken ausspielen.

Auch autonome Fahrzeuge – vor allem im Transportwesen – sollen umweltfreundlicher sein. Warum ist das so?

Der Transport ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen – autonom oder nicht, auch dort sind Alternativen gefordert. Teilautomatisierte oder gar autonome Fahrzeuge bieten aber hier zusätzlich Potenziale, um im Betrieb einen positiven Beitrag zu leisten. In einem Platoon können sich Lkw auf Autobahnen im idealen Abstand und ohne unnötiges Bremsen und Beschleunigen effizient bewegen. Durch kontinuierlichen fahrerlosen Betrieb können mehr Güter in der gleichen Zeit bewegt und somit die Zahl an Fahrzeugen reduziert werden. Automatisierte Last-Mile-Lösungen sind überdies im stark zunehmenden Verteilerverkehr – innerstädtisch und am Land – eine Lösung, Zustellfahrzeuge zu reduzieren bzw. deren Einsatz zu optimieren. Genau auf diesen Nutzfahrzeug- und Gütermobilitätsfokus setzt OÖ mit der Digitrans GmbH.

Was braucht es an Tansformation der österreichischen Zulieferindustrie, um zukunftsfit zu bleiben?

Hier sehen wir stark den Kooperationsgedanken als Resilienzfaktor, da man die Bandbereite der Herausforderungen – vor allem als KMU – nicht alleine schafft. In den Clustern und Abteilungen bei Business Upper Austria forcieren wir den One-Stop-Shop-Gedanken mit maßgeschneiderter Innovationsberatung. Wir bringen die Zulieferer und ihre Innovationen direkt zu den OEMs, forcieren Technologiekooperationen mit der Exzellenzforschung und KMU auf nationaler und internationaler Ebene sowie disziplinenübergreifend. Zentraler Baustein der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sind nicht zuletzt Qualifizierung und Wissenstransfer. Unsere selbst entwickelten Ausbildungsformate zur digitalen Transformation und zum Mobilitätswandel unterstützen hier unsere Partnerbetriebe.

www.automobil-cluster.at