12.10.2020
Kunststoff ist zu wertvoll, um verbrannt zu werden. Umgekehrt hat die Branche mit Kostendruck beim Recycling zu kämpfen. Bei der Fachtagung des Kunststoff-Clusters an der JKU Linz bekannten sich Forscher*innen und führende heimische Unternehmer*innen zum Schulterschluss im Umgang mit Kunststoffabfall. Mit dem Open Innovation Center des Linzer Institute of Technology (LIT) gibt es ideale Rahmenbedingungen für einen Paradigmenwechsel. Der Standort an der JKU ist durch integrierte Entwicklung mit der Wirtschaft sehr gut positioniert.
Die Verpackungsrichtlinie der EU definiert klare Richtlinien: Bis zum Jahr 2030 müssen alle Kunststoffverpackungen rezyklierbar sein. Bei Kunststoffprodukten sollen zumindest 55 Prozent im Prozess der Wiederverwertung landen. Österreich hat das Ziel, die Vorreiterrolle für die Technologien einzunehmen. Das Know-how ist vorhanden, beim finanziellen Aspekt gibt es allerdings die erste Stolperfalle: Wenn man Rezyklate kostenintensiv aufbereitet, fehlen häufig die Märkte dazu. Österreich hat pro Jahr rund 950.000 Tonnen Kunststoffabfälle zu stemmen. Dieses Aufkommen unterscheidet sich im Wesentlichen in Kunststoffabfallaufkommen der „sortenreinen“ Kunststoffabfälle mit ca. 170.000 Tonnen und Kunststoffabfallaufkommen der kunststoffhaltigen festen Abfälle mit ca. 760.000 Tonnen. Rund ein Drittel der „sortenreinen“ Kunststoffabfälle sind Folien, 21 Prozent entfallen auf ausgehärtete Kunststoffabfälle. In Summe werden ca. 900.000 Tonnen in Behandlung gebracht und davon nur ein Viertel in die stoffliche Verwertung. Christian Neubauer vom Umweltbundesamt sieht Österreich trotz dieser Zahlen auf einem guten Weg: „Wir nehmen eine technologische Vorreiterrolle bei Forschungseinrichtungen, Herstellern von Technologien für die Sortierung und das Recycling und bei Betreibern von Recyclinganlagen ein. Dieser Vorteil kann für die neuen Herausforderungen genutzt werden.“ Kunststoffabfälle würden einen bedeutenden Mengenstrom als Wertstoff in Österreich repräsentieren. „Die Potenziale zur Verwertung und Nutzung werden noch nicht ausgeschöpft“, räumt Neubauer ein.
„Wir sind in Österreich bereits auf einem guten Stand (Abfallsystem, Sammelsystemen) – wir sind aber noch lange nicht dort, wo wir hinmüssen!“
Christian Neubauer, Umweltbundesamt
Univ.-Prof. DI Dr.mont. Reinhold W. Lang ging in seinem Impuls-Statement genau auf diese kontroversielle Betrachtung von Kunststoff in der Öffentlichkeit ein. Kunststoffe machen lediglich fünf Prozent des Erdölverbrauchs aus. „Mit Erdöl haben wir noch viel größere Probleme zu lösen. Können wir mit diesen 5 % tatsächlich eine Veränderung bewirken? Meine Antwort: Ja, können wir!", betont Lang. Er stellte auch die Frage in den Raum, ob die erwähnten fünf Prozent das Wirtschaftssystem in eine nachhaltige Richtung bringen. Seine Antwort: „Ich denke, ja, und da spielt die Kreislaufwirtschaft eine ganz große Rolle." Die Kunststoffbranche ist ein Zeichen für ein dysfunktionales Wirtschaftssystem und hier ist die Transformation des Energiesystems im Kommen.
Plastik soll vom „Problem" wieder zum Teil der Lösung werden!
Univ.-Prof. DI Dr.mont. Reinhold W. Lang, JKU Linz
Eine zentrale Rolle im Themenschwerpunkt „Kunststoff neu denken“ spielt die Forschung.
Die LIT Factory des Linz Institute of Technology (LIT) an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz ist eine vernetzte Lehr-, Lern- und Forschungsfabrik für Smart Polymer Processing und Digitalisierung. „Der ursprüngliche Weg von Kunststoffen war sehr linear. Von all den Kunststoffen, die bisher produziert wurden, bleiben nur wenige im Kreislauf. Wir müssen das ändern. Wir arbeiten an der LIT Factory daran, dies umzusetzen", betont DI Dr. Sophie Pachner, EREMA Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H.
Es gibt einige Pilotprojekte an der LIT Factory, die richtungsweisend und einzigartig sind: Dazu zählen der kleinste verfügbare Industrieshredder, Waschmaschine (zur Analyse von Einflüssen von Waschwasser etc.), unterschiedliche Nachbereitungsanlagen (Compounder von Leistritz) und ein neues Smart Quality Lab. Ein durchaus charmantes Beispielprojekt sind Recycling-Frisbees, die künftig als Merchandising-Artikel an der JKU verkauft werden.
„Kunststoff als relativ junger Werkstoff ermöglicht uns unser modernes Leben. Kunststoff kann Teil der Lösung sein, um CO2-Emissionen zu reduzieren."
DI Dr. Sophie Pachner, EREMA Engineering Recycling Maschinen und Anlagen Ges.m.b.H.
Bei der Veranstaltung wurden auch Probleme und Fragen erörtert, die in der Praxis auftauchen. So kann die Sortierung für ein Recycling von Polyolefinen noch verbessert werden. Hier besteht die Schwierigkeit, dass die Vermischung von zwei Produkten mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften die Haltbarkeit des Materials verändert. Damit beschäftigt sich das vom Kunststoff-Cluster ins Leben gerufene Projekt „Circumat“: Es legt den Schwerpunkt auf Abfälle aus Polypropylen und Polyethylen. Denn im Gegensatz zu PET, für das es bereits in manchen Bereichen einen etablierten Kreislauf gibt, werden Polyolefine aus dem Post-Consumer Bereich bis dato nur wenig verwertet. Ein Grund dafür ist die mangelnde Stabilität der Polyolefine gegenüber dem Abbau während des Recyclingprozesses und danach. An dem Projekt sind acht heimische Unternehmen und Forschungseinrichtungen beteiligt.
Dr. Christoph Burgstaller von Transfer Center für Kunststofftechnik (TCKT) in Wels hob hervor, welches Potenzial für die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen vorhanden ist. „Wenn ich bei den Unternehmen an Global Player und die kreativen Hidden Champions denke, können wir mit Recht davon sprechen, dass wir in einem gelobten Land leben.“
Bei der Sortierung trennt sich derzeit die Spreu vom Weizen: Je sortenreiner gesammelt wird, umso hochwertiger ist das Rezyklat. Die aktuellen Sammel- und Sortiersysteme können eine ausreichende Versorgung der Kunststoffproduzenten mit Rezyklat in benötigter Qualität und Quantität nicht gewährleisten. Vor allem der Abfall der Konsumenten findet zu selten den Weg in den Kunststoffkreislauf. An den Unternehmen selbst liegt es nicht: Werkstoffliche Recyclingbetriebe wie die Ecoplast stellen sicher, dass vorsortierte Kunststoffabfälle wieder zu neuen Rohstoffen werden.
Die Firma Engel hat Skinmelt im Fokus: Das ist eine Anwendung, wo innen Rezyklat und außen Neuware angewendet werden kann – damit ist eine universelle Anwendung wie Kisten etc. möglich. In diesem Metier ist auch das europaweit beachtete Projekt circular-print präsent. Besonders mit stark bedruckten Kunststoff-Platten konnten bisher nur geringwertigere (meist Spritzguss-)Endanwendungen gefertigt werden. Unter Federführung des Kunststoff-Clusters konnte mit der M2 Consulting GmbH eine hundertprozentige Kreislauflösung für Pflanzenetiketten gefunden werden. Das Kunden-Feedback bei großen Lebensmittel- und Baumarktketten war überwältigend. Im EU-Ausland wurden wertvolle Marktanteile gegen große europäische Mitbewerber gewonnen. Entsprechend kamen auch schon verschiedene Recycling-Partner mit ins Boot.
Für die Umsetzung der EU-Vorgaben hatten die Expert*innen folgende Checkliste parat:
„Die KC-Fachtagung Kreislaufwirtschaft hat gezeigt, dass die gesamte Wertschöpfungskette von Kunststoff eifrig daran arbeitet, den Wertstoff im Kreislauf zu halten und dass Sortier- und Recyclingtechnologien bald verfügbar sein werden, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen. In Zeiten wie diesen war es ein großer Mehrwert, sich wieder persönlich/physisch austauschen zu können. Dafür haben wir als KC jegliche Schutzmaßnahmen eingehalten, um eine sichere Fachtagung abhalten zu können. Dafür gilt auch ein großer Dank dem KC-Team.“
DI Christian Mayr, Projektmanager Kunststoff-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria