22.10.2021
Es mag für Laien paradox klingen, aber Kunststoff und Ökologie haben jede Menge Gemeinsamkeiten. Mehr noch: Ohne das vielseitig einsetzbare Material, das jahrelang als Umweltsünder der Extraklasse verteufelt wurde, wäre die vielpropagierte Klimawende erst gar nicht möglich. Beste Bespiele dafür sind Mobilität und Lichttechnik.
Mit einem weltweiten Automobilbestand von mehr als 1,2 Milliarden Fahrzeugen sowie mehr als 90 Millionen Neuzulassungen jährlich ist die Automobilindustrie ein dynamisch wachsender Absatzmarkt für Kunststoffe. Der Ersatz von Metall und Glas durch Kunststoffe kann Gewicht einsparen – bei gleichbleibender oder sogar besserer Leistung. Beispiele für Anwendungen von Kunststoffen im Fahrzeugbau sind Türverkleidungen, Scheinwerfer, Schalter und Griffe, Sitzkomponenten, Armaturen, Fenster, aber auch weniger sichtbare Teile wie Steckverbinder, Batteriegehäuse, Ölwannen, Kraftstoffpumpen, Filtergehäuse oder Kühlwassertanks.
Der oft abfällig als „Plastik“ bezeichnete Wertstoff schafft es auch bis in illustre Sphären: Die Entwicklung einer Fußbodenheizung für Privatjets wurde ebenso ertüftelt wie ein in jeden Leuchtkörper passendes Design für die noble Automarke Mercedes-Maybach. Mobilität kann grenzenlos sein, wenn es um ausgefallene Kundenwünsche der Superlative geht. Aber egal, ob Fahrrad oder sündteurer Luxusschlitten: Heimische Kunststoffbetriebe können die gesamte Palette der Kundenwünsche abdecken und zusätzlich mit Innovationen neue Absatzmärkte eröffnen.
Elektrofahrzeuge müssen „abspecken“, damit sie pro Ladezyklus der immer noch schweren Batterien genügend Reichweite haben. Die Hersteller setzen daher verstärkt auf Kunststoffe als Alternative zu schwereren Materialien wie Stahl und Glas. Das gilt sowohl für die Fertigung von Karosserie-Anbauteilen als auch für Bauteile im Autoinnenraum wie Abdeckungen und Säulenverkleidungen. Das Polycarbonat Makrolon kann Fensterscheiben aus Glas und komplette Heckklappen ersetzen. Das reduziert gegenüber herkömmlichen Komponenten rund 50 Prozent an Gewicht. Für die Mobilität und aus ökologischer Sicht sind allerdings die herausragenden Eigenschaften der Wärmedämmung von besonderer Bedeutung: Polycarbonat verringert den Energiebedarf zum Beheizen von Fahrzeugen aller Art. Breitenwirksam macht sich der Einsatz bei Elektroautos bezahlt. Bei ihnen muss die Heizenergie von der Batterie kommen, was der Reichweite der Fahrzeuge schadet. Der Einsatzbereich Außenverkleidungen wird laut einer aktuellen Studie bis 2023 das stärkste prozentuelle Wachstum mit durchschnittlichen Raten von 4,5 % pro Jahr aufweisen.
In Oberösterreich gibt es einige Big Player: Silikonteile der Starlim Spritzguss GmbH sind weltweit gefragt, weil sie eine optimale Schutzwirkung bieten. Bei Regen würde die Elektronik verrücktspielen, weil elektrische Kontakte keine Feuchtigkeit vertragen. Um sie vor Wasser zu schützen, fertigt der Silikonteileproduzent aus Marchtrenk verschiedenste Kleinteile, die sich an unterschiedlichsten Stellen im Auto wiederfinden.
Die Firma Silcos hat bei Innovationen im Bereich der Lichttechnik die Nase vorne. Leuchtende Flächen spielen eine bedeutende Rolle in modernen Bedien- und Informationsoberflächen, wie sie im Fahrzeuginnenraum vorkommen. Durch komplexe Geometrien oder Platzmangel stehen Entwickler bei der Umsetzung von Designwünschen immer wieder vor Herausforderungen. Eine Neuentwicklung namens „FlexiLight“ hat die Grenze des technisch Machbaren wieder ein Stück verschoben. Die Gemeinschaftsentwicklung in Kooperation mit dem Silikonspritzguss-Experten Starlim ist mit dem ersten Platz beim Johann Puch Automotive Award 2017 ausgezeichnet worden. Die Vision ist die Fertigung einer homogen leuchtenden Fläche, die durch eine geringe Bautiefe in alle Richtungen flexibel ist.
Der Wieselburger Lichtsysteme-Spezialist ZKW hat im vergangenen Jahr insgesamt 57 Innovationen zum internationalen Patent angemeldet – davon 50 in Europa und sieben in China. In Niederösterreich führt der Automobilzulieferer das Patent-Ranking 2020 an. Europaweit liegt ZKW auf Platz 4 unter allen österreichischen Unternehmen, die ihre Erfindungen eingereicht haben. Ausschlaggebend für die Top-Platzierung von ZKW sind die zahlreichen Innovationen zum Thema intelligente Licht- und Sensoriklösungen, die für das autonome Fahren benötigt werden. Forschung und Entwicklung haben bei ZKW einen zentralen Stellenwert. ZKW entwickelt gemeinsam mit dem israelischen Start-up Newsight Imaging ein hochpräzises adaptives Fernlicht – auch zum Nachrüsten. Die neuartige Technologie integriert Lichtsensor und -steuerung direkt in der Frontbeleuchtung.
Aspöck Systems steht seit Jahrzehnten für Qualität, Innovation und Flexibilität. Als Lichtdesigner der Nutzfahrzeugbranche hat sich das Traditionsunternehmen auf LED-Lichtlösungen spezialisiert. Die Mixtur aus Know-how und Innovation erweitert den Leucht-Horizont mit den neuartigen Lichtbändern FlexLED. Licht wurde lange Zeit nur mit dem Thema Sicherheit gerechtfertigt. Lkw, Pkw, Baumaschinen, Einsatzfahrzeuge oder der Caravan sind aber heute mit sicherheitsgebenden und designbetonenden Lichtquellen im Innen- und Außenbereich ausgestattet: Funktion und Silhouette aller kundenspezifischen Anforderungen werden mit effizienten LED-Lösungen umgesetzt. Und wenn es um exklusive Elektronik- und Lichtlösungen für Automotive und Aerospace geht, kommt die Linzer SCIO Holding ins Spiel. Das Unternehmen bietet seinen Kunden innovative Produktentwicklung auf Basis geruckter Elektronik, inklusive der industriellen Produktion. Bei einigen Produkten hat SCIO weltweit die Nase vorn: Etwa bei der Steuerung von Fußbodenheizungen und der Beleuchtung von einzigartigen Designmöbeln aus Marmor für Privatjets. Die neueste Entwicklung ist eine ultradünne Fahrzeug-Rückleuchte mit bis zu 90 % Volumeneinsparung sowie ca. 80 % Gewichtseinsparung, die alle Funktionen innovativer Heckleuchten erfüllt. Sie wurde mit großartigem Feedback erstmals auf der IAA 2021 in München vorgestellt.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 2.737 Erfindungen beim Patentamt angemeldet. Trotz der Pandemie liegt Österreich wieder ganz vorne im Ranking der internationalen Patentanmeldungen: Platz 6 in der EU und Platz 11 weltweit belegen die Innovationskompetenz der heimischen Unternehmen. Insbesondere bei Technologien rund um den Klimaschutz liegt Österreich über dem EU-Durchschnitt.