19.10.2021
Die oberösterreichische Forschungsschmiede PROFACTOR koordiniert ein länderübergreifendes Innovations- und Forschungsnetzwerk zu Zukunftstechnologien rund um Medizintechnik. NABIAM, so sein Name, bringt potenzielle Kooperationspartner aus Oberösterreich und Südböhmen für innovative Gemeinschaftsprojekte zusammen. Die ersten konkreten Ideen sind geboren und warten nun darauf, umgesetzt zu werden.
NABIAM steht für Nanotechnologien, Biosensoren und Additive Manufacturing. In diesen Bereichen gibt es sowohl in Oberösterreich als auch in Tschechien exzellente Forscher*innen und Technologien. „Wer konkret woran forscht und wo Know-how und entsprechende Forschungsinfrastruktur vorhanden sind, haben wir erhoben und in einer Kompetenzlandkarte zusammengefasst. NABIAM soll dabei helfen, Synergien zu nutzen und gemeinsam die Medizintechnik in den Regionen voranzutreiben“, erklärt Hannes Fachberger, stellvertretender Leiter der Gruppe Funktionelle Oberflächen und Nanostrukturen bei PROFACTOR. Vier konkrete Projektideen liegen bereits vor, die nun umgesetzt werden sollen.
In der ersten Projektidee geht’s um Smart Packaging: Die Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln wird per Aufdruck auf Verpackungen angegeben, die gesetzlichen Vorgaben sind dabei sehr rigide. Das ist durchaus im Sinne der Konsument*innen – sie sollen beim Mindesthaltbarkeitsdatum in jedem Fall auf der sicheren Seite sein. Die einwandfreie Genießbarkeit von Lebensmitteln kann von diesem Datum allerdings stark abweichen. Biokompatible Sensoren, die in die Verpackung integriert sind, können die Haltbarkeit von Lebensmitteln in Echtzeit erkennen. Sie kommunizieren sowohl mit dem Kunden als auch dem Regalbetreuer und stellen fest, wie lange die Produkte tatsächlich genießbar sind. Die Verschwendung von Lebensmitteln kann damit eingeschränkt werden.
Mechanische Pumpen können die Leistung des Herzens unterstützen. Sie werden bislang mittels subtraktiver Fertigung aus Edelmetallen hergestellt. Die große Herausforderung ist die Oberfläche dieser Bauteile: Sie kann Blutzellen beschädigen, die Kavitation des Blutes wiederum kann den Bauteil beschädigen, die Bauteile können zudem Thrombosen verursachen. Eine Nanostrukturierung der Oberfläche der mittels additiver Technologien gefertigten Pumpen aus Keramik kann diese negativen physikalischen Effekte umgehen. Das Blut „merkt“ dank der intelligenten Bauteile nicht, dass es sich bei den Pumpen um Fremdkörper handelt. Der Blutfluss bleibt dadurch gleichmäßig und die Pumpe kann im „optimalen Betriebszustand“ arbeiten.
Eine massive Verletzung der Haut – beispielsweise bei einem Druckgeschwür – erfordert eine intensive Beobachtung der Wunde und deren laufende Versorgung. Eine biobasierte, gedruckte Gerüststruktur soll das ersetzen. Ein exakt an den Patienten angepasstes 3D-Biogerüst samt Sensorik bewirkt nämlich zweierlei: erstens einen Gewebeaufbau. Dabei wird von dem „Bauteil“ ein Lebensraum für das Wachstum gesunder Zellen geschaffen. Zweitens die Überwachung: Die Biosensorik entdeckt Keime und warnt rechtzeitig vor möglichen Infektionen.
Weit über Anwendungen in den Life-Sciences hinaus reicht die vierte Projektidee. Optoelektronische Sensoren können in der Medizintechnik ebenso eingesetzt werden wie bei Bauteilen, die autonomes Fahren ermöglichen. Nanostrukturierte Lichtleiter aus Kunststoff können dabei einen Quantensprung in der Sensorik bedeuten. Die Nanoimprint- Lithographie, die von PROFACTOR seit einem Jahrzehnt erforscht und weiterentwickelt wird, ersetzt dabei das in Halbleitertechnologie übliche subtraktive Ätzen in Silizium-Schichten.
Projektleiter des INTERREG-Projekts NABIAM sind die PROFACTOR GmbH und die oö. Standortagentur Business Upper Austria mit dem Kunststoff- und Medizintechnik-Cluster. Forschungspartner ist die Südböhmische Universität Budweis mit dem Institut für Angewandte Informatik.