20.06.2022
Aus altem Kunststoff wird ein neues Produkt: Was auf den ersten Blick recht einfach erscheint, stellt die Recyclingbranche vor Herausforderungen, die nach und nach gemeistert werden. Beim „Treffpunkt Kunststoffrecycling“ stellten zwei Unternehmen ihre Innovationen vor – auch das Kunststoff-Cluster-Projekt „PolyCycle“ stand auf der Agenda des Treffpunkts, der von Kunststoff-Cluster und Cleantech-Cluster gemeinsam organisiert wurde.
Kunststoff spielt in der Lebensmittelindustrie eine bedeutende Rolle: Produkte sind länger haltbar, hygienischer und beim Transport besser geschützt. Die EU gibt vor, dass künftig ein erheblicher Teil der Lebensmittelverpackungen rezykliert werden muss. Dafür muss eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft etabliert werden. Aus heutiger Sicht funktioniert das allerdings nur für PET-Flaschen. Andere Lebensmittelverpackungen werden zwar wiederverwertet, sie können dann allerdings nicht mehr als Material eingesetzt werden, das mit Lebensmitteln in Kontakt kommt. Das im Jänner 2020 gestartete KC-Projekt „PolyCycle“ beschäftigt sich mit dieser Aufgabenstellung.
„Die Problematik ist, dass man alle möglichen Kontaminationen in einen rezyklierten Kunststoff haben kann und es schwierig zu belegen ist, dass nichts davon gesundheitsschädlich ist“, sagt Christian Kirchnawy von OFI, dem österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik.
Neben OFI sind der Kunststoff-Cluster / ecoplus, die FH Campus Wien und das Fraunhofer-Institut for Process Engineering and Packaging (IVV) mit an Bord.
Im Projekt „PolyCycle“ wurde Forschungsarbeit geleistet, damit mittelfristig auch bei Polyolefinen eine Kreislaufwirtschaft möglich wird. Das Projekt befasste sich mit den möglichen toxikologischen Verunreinigungen von Polyolefin-Rezyklaten. Die Ergebnisse waren überraschend und ernüchternd: Es zeigten sich bei etlichen Proben tatsächlich deutliche systematische, mutagene Verunreinigungen in den Polyolefin-Rezyklaten. Schwer unter Verdacht des Konsortiums stehen Abbauprodukte von Druckfarben, die während des Recyclings entstehen. Hier sind noch weitere Forschungen notwendig. Kontaminationen können aus vielen Quellen stammen: beispielsweise aus Additiven oder aus nicht für den Lebensmittelkontakt zugelassenen Kunststoffen. Verunreinigungen können auch NIAS (Non-Intentionally Added Substances), also unabsichtlich eingebrachte Stoffe sein oder Abbauprodukte, die während des Recyclings entstehen. Problematisch sind Verunreinigungen von anderen Lebensmitteln aus der Erstverwendung. Oft sind diese – im Regelfall völlig unbedenklichen Stoffe wie Aromen – in der Analytik nicht identifizierbar. Da es bisher keine analytischen Methoden gibt, die alle möglichen Verunreinigungen in recyceltem Kunststoff erkennen und identifizieren können, wird derzeit bei der Bewertung von Rezyklaten ein Worst-Case-Szenario angenommen: Man geht von DNA-reaktiven Karzinogenen aus.
Die im Jahr 2008 gegründete APK AG ermöglicht ein hochwertiges Recycling von Mehrschichtverpackungen und gemischten Kunststoffen. Durch ein spezielles Löseverfahren können die einzelnen Polymertypen in Kunststoffverbunden und gemischten Kunststoffabfällen separiert werden. Die Polymerkette wird im Gegensatz zum chemischen Recycling dabei nicht zerstört, dadurch ist der Prozess wirtschaftlicher dank weniger Energie und geringerer Kosten. Das Ergebnis sind sortenreine, saubere Kunststoff-Granulate mit Neuwarencharakter. Seit Juni 2019 wird im Werk im deutschen Merseburg mit bis zu 8.000 Tonnen im Jahr produziert, eine neue Anlage mit 20.000 Tonnen ist bereits fertig geplant und sollte 2025 die Produktion aufnehmen, so sieht es zumindest die Roadmap des Unternehmens vor. Hier werden PE/PA Multilayerfolien mit bis zu 18 Schichten zu PA- und PE-Granulat verarbeitet. Das Lösemittel wird zurückgewonnen und im Kreis gefahren. Im Werk werden mittlerweile neben Post-Industriell- auch vereinzelt Post-Consumer-Abfälle verarbeitet. Der Newcycling® Prozess ermöglicht neben der sortenreinen Trennung von Polymeren auch die Entfärbung von Druck- und Pigmentfarben. Kunden sind v.a. jene, die eine Alternative zu Neuware suchen, v.a. für Consumer Goods wie Sportartikel oder Lifestyle-Produkte, aber auch für Kosmetik- und Hygieneprodukte.
„Eine Food-Zulassung ist derzeit noch nicht vorhanden, der Prozess gibt es aber theoretisch her. Sie ist bei uns auf der Agenda, aber es wäre unseriös zu sagen, wir hätten sie in ein oder zwei Jahren“, sagt Florian Riedl, Director Business Development. „Wir wussten vor zwei Jahren auch noch nicht, dass wir die Folien entfärben können, vielleicht kommen wir eher hin als gedacht.“
Mit teilweise selbst entwickelten Verfahren und Technologien recycelt das österreichische Unternehmen bage plastics an drei Standorten in Österreich und Deutschland Post-Consumer-Kunststoffe aus Elektro- und Elektronikschrott. Mittlerweile gibt es 140 Mitarbeiter, Tendenz steigend. Compoundiert wird in St. Marien in Oberösterreich. Die bei bage hergestellten Kunststoffregranulate stehen der Neuwarequalität in nichts nach. Früher waren die Granulate aus 100 % Post-Consumer-Abfall, mittlerweile werden aber auch Compounds mit bis zu 70 % Neuware angeboten.
„Kunden wollen ein Compound, das sich in keinster Weise von Ursprungsmaterial unterscheidet“, betont Edwin Lichtenegger, Head of Sales.
Besonders stolz ist er auf ein rPP, das für einen Fahrradsattel verwendet wird. Das speziell für den italienischen Sattelherstellers Selle Royal entwickelte Hightech-Rezyklat musste den hohen Anforderungen in Bezug auf die extreme Alterungsbeständigkeit und Sicherheit des Sattelgestells erfüllen.
„Zusätzlich sollte das Material auch leicht sein, also waren die Eigenschaften nicht mit füllen, füllen, füllen zu erreichen“, beschreibt Lichtenegger die Herausforderung.
„Die Forschung und Entwicklung im Bereich des Kunststoffrecyclings hat noch lange nicht den Höhepunkt erreicht. Man merkt, wie viel Potenzial noch in diesem hochinteressanten Nachhaltigkeitsthema steckt.“
Christian Mayr, Projektmanager Kunststoff-Cluster
Der nächste Online-Treffpunkt mit dem Fokus: Cradle2Cradle findet am 23. November 2022 statt.
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